Korruption in der Weltwirtschaft

Economic Gangsters

Die beiden Ökonomen Raymond Fisman und Edward Miguel erkannten bei ihrer Beschäftigung mit Korruption, dass in wirtschaftlicher Not jeder zum "Economic Gangster" werden kann. Aus der inneren Logik der Korruption entwickeln sie neue Lösungsansätze.

Was haben ein bisschen Unehrlichkeit bei der Steuerklärung, der Wirtschaftsboom in Indonesien unter Suharto, die Ermordungen von sogenannten Hexen in Tansania sowie von UNO-Diplomaten in New York und nicht bezahlte Strafmandate gemeinsam? Allen Vorgängen liegt eine beinharte Kosten-Nutzenrechnung zugrunde, erklärt Raymond Fisman.

Das Buch "Economic Gangsters", das der Ökonom von der Columbia-Universität gemeinsam mit seinem kalifornischen Kollegen Edward Miguel geschrieben hat, ist eine Sammlung von Beispielen über den Zusammenhang zwischen Korruption, Gewalt und Armut. Die Strafmandate von gut entlohnten Diplomaten sind dabei keineswegs fehl am Platz: Sie sind ein kultureller Indikator für die im Ursprungsland vorherrschende Korruption.

"Bei den UNO-Diplomaten ist folgendes interessant: Alle haben dieselbe Ausgangssituation. Ein schwedischer Diplomat verstößt einfach nicht gegen die Gesetze des Landes, in dem er sich gerade aufhält, während Diplomaten sehr vieler anderer Länder New Yorks Parkvorschriften einfach ignorieren", so Fisman im Gespräch. "Das heißt: Sozial destruktives Verhalten wird nicht nur durch existierende Gesetze gesteuert. Verschiedene Gesellschaften haben verschiedene Verhaltensnormen entwickelt. Und wenn man Korruption ausmerzen will, muss man auch über eine Änderung der Verhaltensnormen in diesen Gesellschaften nachdenken."

Klassisches Dilemma

Die Debatte um Armut, Korruption und die Rolle von Entwicklungshilfe ist eine Art Evergreen. Alle paar Jahre steht sie im Mittelpunkt, allerdings nur für kurze Zeit, wie die Autoren in ihrem Buch beklagen.

Zuletzt erwachte das Interesse an der Not, insbesondere in Afrika, dank des Einsatzes von Stars wie Angelina Jolie und Bono von U2, begleitet von verheerenden Bildern der epidemischen Ausbreitung von HIV/Aids und des Genozids in der sudanesischen Region Darfur. (...) Doch wir waren schon früher an diesem Punkt. Unsere Generation kennt die LiveAid-Konzerte und das Album "We Are The World", die auf die entsetzliche Hungersnot von 1984 reagierten, während des Bürgerkriegs in Äthiopien. Seit den 1970er Jahren folgte ein Schuldenerlass dem anderen. Aber dennoch sind bis heute die Menschen in Kenia durchschnittlich nicht reicher als 1963. Werden die Dinge sich jemals ändern?

Nicht existierende oder nicht funktionierende Institutionen zählen zu den Wurzeln von Armut in Drittweltländern. Dieses Problem, so Raymond Fisman, ist nicht so einfach zu lösen. Es hat etwas von dem klassischen Dilemma der Henne und dem Ei an sich.

"Es gibt zwei Denkschulen", erklärt Fisman. "Die eine besagt: Ein Land kann nur dann funktionierende Regierungsinstitutionen haben, wenn es ein Gesundsheitswesen und Schulen hat, und wenn die Menschen genug zu essen haben. (...) Die andere Position besagt: Solche Strukturen müssen existieren. Denn wenn man ein Bildungswesen aufbauen will, bevor es eine funktionierende Regierungsstruktur gibt, dann wird man sehr viel Geld verschwenden. Wir glauben, dass die Korruption von Hilfsgeldern ein solches Ausmaß angenommen hat, dass ersteres nicht zu empfehlen ist. Das kostet nur Geld, ohne das Problem zu lösen."

Versickernde Entwicklungshilfe

Institutionen bauen sich nicht über Nacht von selber. Die Autoren plädieren daher für einen sich langsam durchsetzenden neuen Trend: nämlich Wirtschaftshilfe an Bedingungen zu knüpfen. Um festzustellen, welche Hilfsarten funktionieren und welche nicht, will Raymond Fisman die Sache wissenschaftlich angehen:

"Das kann man auf die gleiche Art und Weise machen, wie man herausfindet, welches Medikament am besten wirkt: durch Experimente. Wir können testen, mit welchen Anti-Korruptionsmethoden Entwicklungshilfe am wenigsten versickert. Man kann beispielsweise ausprobieren, ob Bilanzprüfungen besser funktionieren als Anhörungen in einem öffentlichen Forum. Man gibt also Wirtschaftshilfe, und verwendet in einem Fall die eine, in einem anderen die zweite Methode. (...) Wissenschaftler der Weltbank haben herausgefunden, dass Buchprüfungen eine bessere Methode zur Aufsicht darstellen als öffentliche Anhörungen."

Gehaltserhöhungen für Beamte

Es ist kein Geheimnis, warum Beamte und Polizisten in Entwicklungsländern gerne die Hand aufhalten: Ihre Gehälter sind zu niedrig, um ihre Familien damit ernähren zu können. Ein Experiment, ob sich Gehaltserhöhungen positiv auswirken, steht noch aus.

"Die Geister scheiden sich, ob Gehaltserhöhungen für Beamte die Korruption reduzieren", so Fisman. "Man könnte argumentieren, dass ein besser verdienender Polizist sich nun ein Gewissen quasi als Luxus leisten kann und sich daher nicht mehr bestechen lässt. Andererseits kann man argumentieren, dass der Polizist zwar mehr Geld verdient, aber genauso korrupt bleibt, wie er war."

Die öffentliche Meinung ist in Drittweltländern eher von Letzterem überzeugt.

Renten für "Hexen"

Raymond Fisman und Edward Miguel beschreiben mehrere Beispiele von Armut als Ursache von Gewalt. Dazu zählt auch die Ermordung von älteren Frauen als angebliche Hexen in Tansania. Das hat weniger mit Aberglaube als mit Not zu tun.

"Das passiert in den allerärmsten Familien. Und es passiert in Jahren, wenn es nicht genug Nahrung für die ganze Familie gibt", erklärt Fisman. "Betroffen sind davon vor allem Frauen, die nichts zum Haushaltseinkommen beitragen, aber dennoch vorhandene Resourcen verbrauchen."

Auch im Norden Südafrikas wurden ältere Frauen als Hexen umgebracht. Der Staat hat dafür eine Lösung gefunden: Die Frauen bekommen eine monatliche Rente. Das war das Ende der Hexenmorde.

Hilfe vor der Katastrophe

Die Ökonomen Fisman und Miguel plädieren auch dafür, Wirtschaftshilfe nicht erst dann zu verteilen, wenn etwa Umweltkatastrophen wie Dürre bereits ausgebrochen sind. Helfen müsse man viel früher: "Wenn man merkt, dass sich eine Katastrophe ankündigt", meint Fisman. "Angenommen, es zeichnet sich eine Dürre in Afrika südlich der Sahara ab, oder ein Einbruch bei den Kaffeepreisen reduziert das Einkommen der Menschen in Ruanda dramatisch, dann kann man prophylaktisch Hilfsgelder verteilen, noch ehe die Krise voll ausbricht und es eventuell zu Gewalttaten kommt. Solche Programme gibt es etwa in Botswana. Durch die Einnahmen aus den Diamantenminen kann der Staat sich eine solche Politik leisten. Doch ich meine, das kann man auch mit Geldern für Entwicklungshilfe machen."

Hör-Tipp
Kontext, jeden Freitag, 9:05 Uhr

Buch-Tipp
Raymond Fisman, Edward Miguel, "Economic Gangsters. Korruption und Kriminalität in der Weltwirtschaft", aus dem amerikanischen Englisch übersetzt von Thomas Atzert, Campus Verlag

Link
Campus Verlag - Economic Gangsters