Der Schauspieler Herwig Seeböck
Die große Häfenelegie
1964 wurde der Schauspieler und Regisseur Herwig Seeböck zu vier Monaten Gefängnis verurteilt. Seeböck schrieb dort "Die große Häfenelegie", die er mehr als 3.000 Mal auf der Bühne gezeigt hat. Mittlerweile wird sie von seinem Sohn Jakob aufgeführt.
8. April 2017, 21:58
"Im Namen der Republik verurteile ich Sie zu viereinhalb Monaten schweren Kerker, verschärft durch ein hartes Lager und einen Fasttag während der Strafzeit." Mit diesem Urteil hat alles begonnen.
1964 wurde der damalige Burgschauspieler Herwig Seeböck wegen Widerstands gegen die Staatsgewalt festgenommen. Man hatte ihn irrtümlich für einen Einbrecher gehalten, die Situation eskalierte. Laut Justiz widersetzte sich der Schauspieler und nahm eine Boxerhaltung ein.
Der prominente Schauspieler musste ins Gefängnis und machte das Bestmögliche daraus: ein Kabarettstück, das heute ein Klassiker ist, "Die große Häfenelegie". Mehr als 3.000 Mal hat Herwig Seeböck das Stück selbst gespielt.
Das wilde Leben rächt sich
Die "Häfenelegie" hat ihn berühmt gemacht - und hat ihn doch auch in eine Schublade gesteckt: "Häfenbruder spielt Klassiker" war zu lesen, wenn der Schauspieler Seeböck im Burgtheater oder bei den Salzburger Festspielen auf der Bühne stand. Ein Umstand, der ihn bis heute ärgert - bei aller Freude über den großen Erfolg seiner "Häfenelegie."
Vor Jahren hat sich Herwig Seeböck als Schauspieler und als Regisseur von der Bühne zurückgezogen. Und auch seine Lehrtätigkeit - etwa am Max Reinhardt Seminar oder bei seinem eigenen Seeböck-Ensemble - hat er beendet.
"Ich war bis fünfzig so wild, dass mir das heute wehtut. Mein wildes Leben rächt sich jetzt", sagt Herwig Seeböck. Das Nachlassen der Kräfte, das habe ihn letztlich auch zum Abschied von der Bühne bewogen.
Suche nach einem Weg
"Das Seeböckbuch" heißt ein rund 200 Seiten starker Band, der 1991 in Wien erschien und inzwischen längst vergriffen ist. "Szenen, Sketches, Theaterstücke" finden sich darin. Im Vorwort schreibt Herwig Seeböck über sich selbst:
Das Kind, das ich bleiben wollte, versuchte ich in einem viel zu großen Körper zu verstecken. Ich wusste zu diesem Zeitpunkt nicht, dass: "Je größer der Körper, desto größer die Fläche für Treffer." Dies sollte ich merken. (...)
Später hatte ich eine Auseinandersetzung mit einem bewaffneten Österreicher. Man brachte mich ins Gefängnis. Ich lebte mich daselbst schnell ein, es war wie in der Schule. Ich lernte viel. Damals entstand ein Theaterstück. Dieses machte mich berühmt. Ich referierte über die Gesellschaft und das, was sie verdrängt und versteckt. So kam ich ans Schreiben. So kam ich ans Malen und ans Denken. (...) Ich male nicht mehr, oder selten, ich suche nach einem Weg. Es dauert so lange, bis man ein richtiges Kind wird. Unfolgsam und einsam, mit einem Haus auf dem Mars.
International tätig
Als Schauspieler sollte Herwig Seeböck im Laufe seiner langen Karriere in Wien, Berlin, Hamburg, München, Graz, an vielen Orten auf der Bühne stehen. Er wirkte bei zahlreichen internationalen Filmproduktionen mit, war später auch als Regisseur gefragt, so etwas am Wiener Volkstheater.
Schon früh widmete sich Herwig Seeböck auch dem - oft von vielen unterschätzten - Kabarett. "Ich kann mich an die Programme gar nicht mehr erinnern", sagt Herwig Seeböck. "Das ist alles viel zu lang her. Aber wir waren gut besucht. Die Leute sind gern gekommen."
Lehrer der Kabarettisten
1965 wurde Herwig Seeböcks "Große Häfenelegie" am Theater am Kärntnertor in Wien uraufgeführt. Bis heute sieht Herwig Seeböck den großen Erfolg seiner "Häfenelegie" mit zwiespältigen Gefühlen: Da ist der Stolz darauf, ein überaus populäres Stück für die Bühne geschaffen zu haben, und da ist der Ärger darüber, dass dieser Erfolg oft den Blick auf den vielseitigen Schauspieler und Regisseur Seeböck verstellt hat.
"Quer durch", "Die Qualverwandtschaften", "Charlie der Kegel", "Ausflüge - Anfälle - Ausfälle", Herwig Seeböck hat als Kabarettist zahlreiche eigene Programme präsentiert.
Herwig Seeböck hat nicht nur selbst viele Jahre lang Kabarett gespielt, er war stets auch ein wichtiger Lehrer und Förderer: Roland Düringer, Alfred Dorfer, Josef Hader, Andrea Händler - sie alle haben früh bei ihm ihr Handwerk gelernt. "Roll over Rilke" hieß etwa ein Programm, das Herwig Seeböck gemeinsam mit Roland Düringer zeigte.
Verzichten lernen
Der gebürtige Wiener ist bis heute in Wien geblieben - mit Unterbrechungen, hat er doch auch jahrelang in Deutschland und in der Schweiz Theater gespielt. Die intensive Beschäftigung mit dem Theater, mit der Erarbeitung von Rollen, der genaue Blick auf die eigenen Emotionen - all das hat auch seinen Preis , sagt Herwig Seeböck im kritischen Rückblick.
Sein Leben hat sich im Lauf der letzten Jahre sehr verändert. Ist er verbittert darüber, dass jetzt Vieles in seinem Leben so anders geworden ist? "Man muss das Verzichten lernen", hatte Herwig Seeböck zu Beginn des Gesprächs gesagt. Vieles sei nur unnützer Ballast, der einen behindere. Es scheint so, als würde er sich darin üben, Abschied zu nehmen.