Verteidiger der europäischen Werte
Fatih Akin im Künstlerzimmer
In den Kinos läuft sein jüngster Film "Soul Kitchen". Fatih Akin, in Hamburg geborener Sohn türkischer Einwanderer, versteht seine Arbeit als Plädoyer für ein Miteinander der Kulturen. In diesem Sinn hat er sich auch bei der Schweizer Minarett-Debatte zu Wort gemeldet.
8. April 2017, 21:58
"Der Anti-Islamisus ist das Feindbild des 21. Jahrhunderts"
Fatih Akins Erfolgsstory geht nach Filmen wie "Gegen die Wand" oder "Auf der anderen Seite" mit seinem neuen Film "Soul Kitchen" weiter. Seine Komödie erhielt den Spezialpreis der Jury in Venedig. Der Film ist eine zärtliche Liebeserklärung des türkisch-stämmigen Regisseurs an seine Heimatstadt und das Arbeiterviertel Wilhelmsburg, wo der langhaarige Deutschgrieche Zinos Kazantsakis in seinem Restaurant neben von Unkraut überwachsenen Schienen die Stammgäste mit frittierten Speisen versorgt. Adam Bousdoukos und Moritz Bleibtreu spielen die Hauptrollen. Monica Bleibtreu hatte in dem Film ihren letzten Auftritt - in der Rolle als Familienoberhaupt.
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Komödie lernen
"Soul Kitchen" sei ein schmutziger Heimatfilm. Er wollte explizit einen Film über seine Geburtsstadt Hamburg drehen, erzählt Akin in der Ö1 Gesprächsreihe "Im Künstlerzimmer". "Ich bin der Stadt etwas schuldig. Die war immer gut zu mir ich wollte ihr etwas zurückgeben." So hat Akin auch bewusst Drehorte ausgewählt, die vom Verschwinden bedroht sind, beziehungsweise seit dem Dreh auch tatsächlich schon verschwunden sind. "Soul Kitchen" ist somit auch die Dokumentation einer sich verändernden Stadt.
Eigentlich sei der Film als "Erholung" gedacht gewesen. Akin sagt, er habe ein anderes Genre ausprobieren und damit auch eine Art Auszeit von seiner bisherigen Arbeit nehmen wollen. Organisatorisch sei es dann letztlich ein sehr anstrengender Film geworden. Er hätte, so Akin, erst lernen müssen, dass Komödie tatsächlich ein schwieriges Genre sei, "ich hielt das immer für ein Klischee" bekennt der Filmemacher freimütig.
Politisches Statement
Die Schweizer Premiere des Films ist gerade in die Diskussion um den Volksentscheid für ein Minarett-Verbot gefallen. Fatih Akin hat deshalb als Zeichen des Protests auch seine Teilnahme an der Premiere abgesagt.
"Dieser Volksentscheid widerspricht meinem Verständnis von Humanismus, Toleranz und dem Glauben daran, dass ein harmonisches Miteinander von Menschen unterschiedlicher Herkunft, Rasse und Religion möglich sein muss", hieß es in einem offenen Brief des Filmregisseurs an die Schweizer Presse. "Da ich Kind moslemischer Eltern bin, fühle ich mich durch den Volksentscheid auch persönlich betroffen."
Natürlich sei das Minarettverbot nur ein Symbol für die europaweite Angst vor "Überfremdung", sagt Akin im "Künstlerzimmer" und er warnt: "Wir sind dabei, aus Angst vor 'Überfremdung' und Globalisierung, Werte, die wir uns Jahrhunderte lang erarbeitet und erkämpft haben, wieder über Bord zu schmeißen."
Kommende Projekte
Derzeit arbeitet Fatih Akin an der Fertigstellung eines Dokumentarfilms über eine wilde Mülldeponie im Süden der Türkei. Danach wolle er ein Spielfilmprojekt realisieren, das frühestens 2013 in die Kinos kommen werde.
Konkrete Theaterprojekte gibt es derzeit nicht: "Ich habe eigentlich Angst, Theater zu machen". Die Technologie beim Filmemachen beschütze ihn. Das kenne er und könne es kontrollieren und führen. Beim Theater würden ihm diese Werkzeuge nicht zur Verfügung, bekennt Akin. Aber wenn schon Theater, dann wolle er mit Catrin Striebeck arbeiten, deren Kunst er sehr bewundere und die derzeit am Wiener Burgtheater in Shakespeares "Antonius und Cleopatra" als Cleopatra zu sehen ist.