In den Mühen der Ebene

Ein Jahr Obama

Nach der Wahl von Barack Obama zum 44. US-amerikanischen Präsidenten hofften viele auf einen spürbaren Kurswechsel in der nationalen und internationalen Politik. Konnte Obama in seinem ersten Amtsjahr den Ankündigungen und Verheißungen gerecht werden?

"B-plus" - das ist die Note, die sich der mächtigste Mann der Welt, der amerikanische Präsident Barack Obama selbst für sein erstes Amtsjahr gegeben hat. "B-plus", das steht im Amerikanischen für "über dem Durchschnitt". Es habe Fortschritte gegeben in der Wirtschaftspolitik und in der internationalen Politik, begründete Obama seine Selbsteinschätzung in einem Interview in einer US-Talkshow. Besser, meinte er, könne er sich nicht einschätzen, weil die Gesundheitsreform und die Schaffung von Arbeitsplätzen noch nicht zur Zufriedenheit gelungen seien.

Kann man diesem Urteil zustimmen? Oder gibt sich da ein begnadeter Rhetoriker und Selbstdarsteller auf der politischen Bühne nicht eine zu gute Note für seine "Performance"?

Fest steht, dass Obama ein schweres Erbe übernommen hat. Die USA waren bereits wirtschaftlich angeschlagen und hatten ein Rekord-Defizit, als die Wirtschaftskrise - ausgehend und zum guten Teil auch ausgelöst von eben diesen USA - über sie selbst und die Welt hereinbrach. Die Kriege in Afghanistan und im Irak, die Atomdrohungen aus dem Iran und aus Nordkorea, dazu das (seit vielen Jahrzehnten) ungelöste Nahostproblem (das Vorgänger Bush viel zu spät und auch da nur halbherzig in Angriff nahm), dazu die Versprechen, das Gefangenenlager Guantanamo zu schließen und eine staatliche Gesundheitsversicherung als Alternative und Kostenbremse zu den Privaten einzuführen - die Liste an Themen und Arbeiten für den jungen US-Präsidenten war und ist lang. Ob sie in einer Amtszeit, ja in einem Leben überhaupt aufzuarbeiten ist, daran zweifeln viele Experten.

Fest steht auch, das Obama mit weit überzogenen Erwartungen willkommen geheißen wurde. Nach acht innen- und außenpolitisch lähmenden Jahren mit George W. Bush freute man sich auf eine erfrischende, neue, respektierbare und respektable Politik. An Ankündigungen von Obama hat es auch nicht gemangelt. "Yes, we can!" stand wie kaum etwas vorher für die Verheißungen eines politischen Messias. Eine atomwaffenfreie Welt ("... maybe, not in my lifetime ..."), die Versöhnung mit der moslemischen Welt, ein Klimaschutzabkommen, das diesen Namen auch verdient, vieles hat Obama angesprochen, ausgesprochen, versprochen. Aber die Mühen der Ebene zeigen, dass auch der mächtigste Mann der Welt nicht alles halten kann, was er (vor allem im Wahlkampf) gerne und zur Freude des Publikums verspricht.

"B-plus" also, weil die Richtung stimmt, die die Politik wieder zu nehmen beginnt? "B-plus", weil der Ton in der internationalen Politik wieder verbindlicher, konsensorientierter geworden ist? "B-plus", trotzdem viele, ja die meisten Versprechungen und Verheißungen nicht - oder noch nicht - Konturen angenommen haben? "B-plus", trotz oder wegen eines Friedensnobelpreises, von dem der Träger selbst überrascht war?

Ich denke, das "plus" ist ein wenig übertrieben. Aber "B" kommt schon hin, weil es endlich wieder einen charismatischen Politiker von internationalem Format gibt, der im Stande ist, Hoffnungen zu erwecken. Von genau solchen Hoffnungen lebt die Welt.

Hoffentlich werden sie nicht enttäuscht!

Hör-Tipp
Journal-Panorama, Mittwoch, 13. Jänner 2010, 18:25 Uhr

Link
The White House