Von Afrika lernen

Eine Oper für Ouagadougou

Es ist der große Traum und der letzte Wille des todkranken Christoph Schlingensief, und er ist der Verwirklichung ganz nahe: sein Festspielhaus Afrika wird gebaut werden. Knapp vor Weihnachten stand fest: Ouagadougou kriegt ein Operndorf!

Man fühlt sich ein wenig an den Film von Werner Herzog erinnert, an "Fitzcarraldo", in dem Klaus Kinsky den durch Kautschuk reich gewordenen Abenteurer und Caruso-Fan Brian Sweeney Fitzgerald, genannt Fitzcarraldo, spielt. Und dieser Fitzcarraldo hatte sich in den Kopf gesetzt, mitten im peruanischen Urwald ein Opernhaus zu erbauen, das dem in Manaus ebenbürtig wäre, und dann sollte da Enrico Caruso singen.

Unterstützung von Prominenten

Christoph Schlingensief ist natürlich kein zweiter Fitzcarraldo. Es geht nicht um Opern. Es geht darum, "die einheimischen kulturellen Kräfte unterstützen", wie er der dpa erklärte. "Wir verpflanzen keine Kultur, sondern zeigen, welche kreativen Kräfte dort zuhause sind, von denen wir noch viel profitieren und auch lernen können." Also kein Bayreuth in Burkina.

Das Projekt findet Anklang. Die noch nicht sehr lange Liste der Unterstützer wird von illustren Namen angeführt. Henning Mankell ist dabei, Herbert Grönemeyer und der Filmregisseur Roland Emmerich. Das Goethe-Institut, die Bundeskulturstiftung, der vorige Außenminister Frank-Walter Steinmeier und der deutsche Bundespräsident Horst Köhler haben in Burkina Faso ihre Beziehungen spielen lassen.

Wachsende Spirale

Und so konnte Schlingensief vor Weihnachten jubeln, dass die Regierung von Burkina Faso "ein wunderbares, spirituell aufgeladenes Gelände von fünf Hektar Größe" zur Verfügung stellt, auf dem schon im Jänner 2010 die Grundsteinlegung gefeiert wird. Gebaut wird ein Theater, eine Schule für 500 Kinder im Alter zwischen fünf und 17 Jahren, ein Gästehaus, Werkstätten, eine Krankenstation, Brunnen, Solaranlagen - das Ding soll sich ja autonom mit Energie versorgen können.

Gebaut wird aus heimischen Materialien, ausschauen wird es wie ein afrikanisches Dorf. Geplant hat es der für seine trickreiche und günstige Bauweise ausgezeichnete Architekt Francis Kéré, der selbst aus Burkina Faso stammt. Und: Es soll nicht alles auf einmal entstehen, sondern ein Gebäude nach dem anderen, als ob es von selbst wachsen würde, und zwar wie auf einer Spirale aufgefädelt.

Der beste Platz

Und wieso ausgerechnet Burkina Faso, Ouagadougou? Im letzten Sommer reiste Schlingensief durch Afrika, um geeignete Plätze zu finden. Kamerun, Tansania, Mosambik waren geplant, aber die Stadt hat ihm gefallen, und das Heimatdorf seines Freundes Kéré hat ihn bezaubert. Noch vor Weihnachten, nach der Vertragsunterzeichnung des Kulturministers von Burkina Faso, wurden 13 Container von der Ruhrtriennale auf den Weg geschickt. Sie enthalten Materialien zum Aufbau der ersten Gebäude. Und Schlingensief erfindet immer wieder neue Namen für sein Lieblingsprojekt: "Soziale Plastik" oder "Von Afrika lernen".

Göttermasken in Wort und Musik

Das wirft die Frage auf: Gibt es afrikanische Komponisten, die sich mit dem Genre Oper auseinander setzen, die afrikanische Themen auf die Opernbühne gebracht haben? Da wäre zumindest einer zu nennen, der Südafrikaner mit den deutschen Wurzeln Hans Huyssen. Er hat für die Oper in Kapstadt gemeinsam mit Ilija Trojanow die afrikanische Oper "Masques" geschrieben, am 28. Oktober 2005 wurde sie zum ersten Mal gezeigt. Sie thematisiert das heikle Thema von außereuropäischen Kunstschätzen, die in Europa ausgestellt werden. In dieser Oper sind es Masken alter Götter, die von einem ihrer Griots zu Leben erweckt werden. Sie fliehen und versuchen, in ihre alte Heimat zu kommen, werden aber als Illegale eingesperrt und sollen abgeschoben werden. Doch der Kurator des Museums erkennt sie und holt seine Masken zurück. Keine Chance, auszureißen.

Vielleicht hat Schlingensief Recht. Vielleicht werden in seinem Operndorf, wegen seines Operndorfs, afrikanische Künstler im "Abendland" gehört, ohne dass sie Vermittler wie das Kronos Quartett brauchen. Weil man auf sie selbst aufmerksam werden kann.

Service

Buch Monque Ilboudo, "Nennen Sie mich Ouaga. Eine Stadt stellt sich vor", aus: Neue Rundschau, 120. Jahrgang, Heft 2, Fischer TB Verlag

Christoph Schlingensief
Festspielhaus Afrika
Hans Huyssen - Masques