Klavier und Kabarett
Kabarettisten machen Musik
Klavierhumoristen sind Allrounder, die nicht nur Klavier spielen und singen können. Sie schreiben satirische Texte und stehen in Kabarettsketches schauspielernd auf den Brettern des Brettls. Gerhard Bronner war auch als Austropoper erfolgreich.
8. April 2017, 21:58
Alfred Dorfer über Qualtinger, Bronner und Kreisler
Mit einem weit höheren musikalischen Anteil als beim Berliner "Überbrettl" von Wolzogen, oder bei den im selben Jahr 1901 gegründeten "Münchner Scharfrichtern" hat die Wiener Kabarettgeschichte begonnen. Ebenfalls 1901 konnte man im ersten Wiener Kabarett, im sogenannten "Jung-Wiener Theaters zum lieben Augustin" sogar Robert Schumanns Chorballade "Des Sängers Fluch" auf der Bühne erleben.
Übrigens ist im selben Programm auch Frank Wedekind aufgetreten, der genauso böse Lieder sang, wie ein halbes Jahrhundert später Georg Kreisler, der sich selbst am Klavier zu begleiten pflegte.
Seele des Wiener Kabaretts
Ein guter Klavierspieler war zur selben Zeit auch Gerhard Bronner und darüber hinaus die musikalische Seele des Wiener Kabaretts nach dem zweiten Weltkrieg. Er textete und komponierte nicht nur selbst, sondern nützte auch seine profunden Kenntnisse klassischer Musik mit kabarettistischer Kreativität. Darüber hinaus hat sich Bronner auch als Unternehmer betätigt, war Prinzipal mehrerer Kleinkunstbühnen, ähnlich wie sein Konkurrent Karl Farkas.
Bronner zog durch seine Persönlichkeit musikalisch begabte Künstler fast magisch an, seien es Kabarettisten oder Schauspieler, so dass sich in seinen Ensembles stets eine ganze Reihe Vortragender zusammenfanden, die fähig waren, ihre Texte nicht nur singend zum Besten zu geben, sondern sich selbst dabei auch auf dem Klavier zu begleiten.
Dennoch hieß der Komponist der meisten Musiknummern - "Der Papa wird's schon richten", "Der g'schupfte Ferdl" und "Der Wilde mit seiner Maschin" - Gerhard Bronner, auch wenn Helmut Qualtinger, der Star des "Neuen Theaters am Kärntnertor", für seine Darbietungen den meisten Applaus einheimste, ohne selbst Klavier zu spielen.
Von Kreisler bis Krainer
Klavierhumorist verwenden manche als Berufsbezeichnung und zu dieser Spezies sind neben Bronner vor allem Georg Kreisler, Peter Wehle, Kurt Sobotka, Herbert Prikopa und Lore Krainer zu zählen, abgesehen von Hermann Leopoldi, dem legendären Vorbild fast aller musikalisch tätiger Kabarettisten.
Als Bronner in den 1950er und 1960er Jahren in der Marietta-Bar, in seinem Intimen Theater, oder im neuen Theater am Kärntnertor als Prinzipal agierte, konnte man auch eine Anhäufung von musikalischen Kabarettnummern konstatieren, die einen wesentlichen Teil ihres Erfolges der melodischen Erfindungsgabe klassischer und romantischer Komponisten verdanken.
Publikumsmagnet "Quasi"
Der Star war natürlich Helmut Qualtinger mit dem es viele, von Bronner, Wehle oder Kreisler erfundene und gestaltete Klassik-Musiknummern im jeweils adäquaten Kabarett-Sketch-Gewand auf CD gibt.
Etwa mit Musik von Wagner (die DDR durch den satirischen Zerrspiegel betrachtend), Verdi (Das neue "Ministerium für Eröffnungen" wird durch Qualtinger als Eröffnungsminister feierlich zu den Klängen des "Aida"-Triumphmarsches eingeweiht), Ravel (Der "Bolero" noch vor Bo Dereks kinematographischer Anwendungsvariante als musikalische Untermalung von blasiertem Cocktail-Party-Smalltalk), Offenbach (Die deutsche Filmindustrie wird aufs Korn genommen: "Orpheus in der Filmwelt").
Der "Nabucco-Gefangenenchor", von Bronner getextet, dient als Wunschkonzert-Parodie und die "Zigeunerbaron"-Ouvertüre liefert Musik zur satirischen Schilderung der Bakschisch-Gebräuche in Wien: "Der Schmattes-Baron"!
Gemeinsam mit seinem Kollegen Peter Wehle hat Gerhard Bronner in einer musikalischen Kabarettszene einen Opernbesuch thematisiert und gleichzeitig so etwas wie ein Psychogramm der unterschiedlichen Typen von Premierenbesuchern erstellt: "Die Opernkavaliere".
Vom Kabarett zum Austropop
Abgesehen von den Ensembleszenen sang Georg Kreisler, wie Bronner auch Klavier spielend, dazwischen Solonummern von klassischen Komponisten, zum Beispiel Rossinis Figaro-Auftrittsarie als Satire auf Karajans Mediengeilheit ("Karajan hier, Karajan dort"), aber auch nachdenklich machende, selbst vertonte Texte über musikalische Berufe wie der Triangelspieler, oder "Der Musikkritiker".
Zwar stilisierte sich Kreisler im Gegensatz zum larmoyant-gemütlichen Gerhard Bronner vor allem als Verfasser und stimmprotzender Interpret "böser Lieder", aber es war Bronner, von dem die musikalischen Initiativen kamen, der nicht nur für seine und vor allem für Qualtingers Kabarettnummern Melodien erfand, die man sich merkte ("Weil mir so fas is'"), oder sich welche ausborgte, die man schon kannte (wie beim "Jedermann- Calypso"). Darüber hinaus textete Bronner auch Schlager für die Austropop-Szene wie "A Glock'n, die 24 Stunden läut'", mit dem Marianne Mendt ihre Karriere gestartet hat.
Mehr zu Gerhard Bronner in oe1.ORF.at
Hör-Tipp
Musikgalerie, Montag, 1. Februar 2010, 15:05 Uhr