Verraten, versklavt, verkauft
Endstation Zwangsprostitution?
Menschenhandel gehört neben dem Waffen- und Drogenhandel zu den einträglichsten kriminellen Geschäften. Er betrifft zu 80 Prozent Frauen und Kinder, die oft als Zwangsprostituierte in reichen Ländern landen. Nur wenige wenden sich an die dortigen Behörden.
8. April 2017, 21:58
Natia aus Georgien
Männer lieben Prostituierte aus Russland und dem restlichen Osteuropa. In Nachtlokalen und Striptease-Bars sind immer gleich mehrere zu finden. Sie gelten als unterwürfig und sie machen alles, was von ihnen verlangt wird. "Die Ostblock-Mädchen sind freizügiger und haben auch die bessere Figur", sagt Erwin, Barmann im Queen-Club am Wiener Gürtel. Die Zahl fremdländischer Sex-Arbeiterinnen wächst. Sie bedienen eine steigende Nachfrage.
"Ich hatte sehr viele Kunden. So viele, dass ich sie nicht mehr zählen kann", erzählt Natia. Natia aus Georgien ist eine junge Frau mit dunklen Augen, schwarzen Haaren und einem stark geschminkten Gesicht. Sie hat ihren Körper monatelang in der Türkei vermietet. Als Sex-Gefangene in einem Bordell. Um die Schulden für ein gefälschtes Visum abzubezahlen - mit dem sie eigentlich das große Geld machen wollte.
Der Traum vom Job im Westen
Natia wächst auf dem Land auf, in einem kleinen Dorf in der Nähe von Kutaisi. Als 14-Jährige lernt sie tippen und nähen. Doch Job bekommt sie keinen: "Es gibt hier keine Arbeitsplätze", murmelt Natia missmutig. Etwas über 20 Jahre alt ist Natia, als sie eine Bekannte trifft, die ihr verspricht, dass sie angeblich legal in der Türkei arbeiten könne. "Das Mädchen ist die Ehefrau von einem Klassenkameraden, sie war wie eine Freundin für mich", erinnert sich Natia. "Ich habe gewusst, dass dieses Mädchen oft in die Türkei gegangen ist um zu arbeiten, aber ich wusste nicht was."
Die Frau bietet ihr an, sie in die Türkei zu bringen, in das Casino, in dem sie dort arbeitet. Natia hat keine Ahnung, was unter einem Casino zu verstehen ist. Und: Sie hat keinen Pass. Natia ist bis zu dem Zeitpunkt noch nie im Ausland gewesen. Ihre Bekannte erklärt ihr, dass sie ihr einen Pass machen lassen werde. Natia vertraut der Frau, da sie ihre Schwester gut kennt: "Sie hat gesagt, pro Person muss man 1.000 Dollar zahlen, um über die Grenze zu kommen." Das Geld soll sie später zurück bezahlen.
Natia hat keine Ahnung, dass das der Preis ist, um den sie an eine andere Frau verkauft wird: "Sie hat gesagt, wenn sie in der Türkei ist, dann könnt ihr ihr den Pass wegnehmen und mit ihr alles machen, was ihr wollt." Die Fahrt in einem Kleinbus geht direkt in einen Sexklub. Natia hat Todesangst. Keine Minute lässt man sie aus den Augen. Immer wieder wurde sie vor Fluchtversuchen gewarnt.
Menschen auf Bestellung
Die Georgierin ist ein Opfer -wie viele Mädchen. Weltweit sind es zwei bis vier Millionen Menschen, die pro Jahr Opfer von skrupellosen Menschenhändlern werden. Sie träumen von einem besseren Leben im verheißungsvollen Westen. Das ist der Anfang vom Elend. Viele Frauen und Kinder werden bestellt und nur allzu oft in die Zwangsprostitution verscherbelt, auch mitten in Wien.
80 Prozent der Opfer von Menschenhandel sind Frauen und Kinder, die als Zwangsprostituierte auf der Straße reicher Länder landen. Nur sehr wenige der Frauen, die in einem fremden Land auf dem Sex-Markt landen, wenden sich an die dortigen Behörden. Die beiden Vereine "Exit" und "World Vision" wollen jeden einzelnen zu mehr Engagement im Kampf gegen den Menschenhandel auffordern. Menschenhandel gehört neben dem Waffen- und Drogenhandel zu den einträglichsten kriminellen Geschäften - jährlicher Umsatz weltweit: 35 Milliarden Dollar.
Service
Corinna Milborn und Mary Kreutzer, "Ware Frau: Auf den Spuren moderner Sklaverei von Afrika nach Europa", Ecowin Verlag
Queen-Club
World Vision International
Adesuwa Initiatives - Exit
UNO-Büro für Drogenkontrolle und Verbrechensverhütung
Slumkinderkunst - Elmar Kuhn