Li Dawei und der sprechende Kater

Katzen, Cartoons und China

Wo lebt es sich besser, wahrhaftiger? Ist die Stadt, die Träume fabriziert, auch die Stadt, in der man seinen Traum verwirklichen kann? Oder ist es besser, dort zu leben, wo man träumen muss, um zu überleben? Was macht ein gutes Leben aus?

Die Idee ist bestechend: Man nehme die von Illusionen abgespeckte Wirklichkeit der Zeit nach dem Massaker am Platz des Himmlischen Friedens. Man lasse einen friedlichen, nicht wirklich politischen jungen Chinesen mit seinen Problemen alleine. Man würze mit etwas Fantasy, und hoffe darauf, dass das Ergebnis viele interessiert: jene, die wissen wollen, wie das Leben nach dem Massaker in China war. Die Katzenfreunde. Die Cartoon- und Fantasy-Freaks. China freundlich Gesonnene und vor allem jene, die einen boshaften Blick auf den real existierenden Kommunismus made in China lieben. Li Dawei versucht, sie alle zu beliefern - ohne den Weg einzuschlagen, den die "Schönen Schriftstellerinnen" gegangen sind: Sex, Sex und Skandale.

Ohne Sex und Skandale

"Literatur entsteht anders", sagte Li Dawei in einem Interview 2004. Ihm klebt zu viel Selbstdarstellung, zu viel Schielen nach Quote, zu viel Anbiederung ans westliche Skandalbedürfnis an den Romanen von Mian Mian oder Wei Hui. "Als die Romane der 'Schönen Schriftstellerinnen' erschienen, wollte ich einige Freunde davon abhalten, diese besonders anzupreisen." Sie sollten nicht unbedingt den Trend anheizen, der unter den jungen chinesischen Autoren als besonders effizient gilt: "Je mehr Skandal, desto besser fürs Geschäft".

Wie, Li Dawei ein Verweigerer? Ein Verhinderer? Immerhin bekennt er, zu konservativ zu sein, um mit dem Medium Internet kreativ umgehen zu wollen - oder zu können? "Viele meiner Kollegen sind von der Webliteratur begeistert. Ich habe damit nicht viel am Hut und kann auch kaum mit dem Computer umgehen. Um zu lernen, eine E-Mail zu verschicken, habe ich drei, vier Jahre gebraucht (lacht). Ich denke, für besonders junge Autoren ist das Netz eine Gelegenheit, eine gründliche Überprüfung ihrer Werke zu umgehen. Sie müssen sich aber auch abseits davon etablieren können." Li Dawei hat das geschafft. Seine ersten Werke entstanden und erschienen noch in Bejing, mittlerweile lebt er in New York, im "Herzen des kapitalistischen Feindes" - und hat kein Problem damit.

Der Möchtegern-Cartoon-Darsteller

Dass natürlich auch das Leben im Westen seine Tücken hat, exerziert Katzenbesitzer Li Dawei mit Hilfe des sprechenden Katers Haohao durch. Dieses Tierchen, ein Überlebender des schon erwähnten Massakers, beschließt eines Tages, in Hollywood als Cartoon-Darsteller berühmt zu werden und ist bereit, alle nur erdenklichen Mühen auf sich zu nehmen, um in einem Film zu erscheinen - und alle Demütigungen zu erdulden, um den erkämpften Platz zu halten.

Eine ziemlich glaubwürdige Milieu-Studie, Starlets, Ex-Stars und Möchtegern-Stars betreffend, ist Li Dawei damit gelungen. Aber dennoch ist sie relativ unglaubwürdig, was Katzen betrifft: Eine echte Katze hätte relativ bald ziemlich genervt den Jahrmarkt der Eitelkeiten, den Li Dawei als seines Katers Arbeitsplatz beschreibt, verlassen. Aber mit einem Hund ... funktioniert die Geschichte halt nicht...

Service

Li Dawei, "Love, Revolution und wie Kater Haohao nach Hollywood kam" Knaus Verlag