Radikaler Bedeutungswandel und viele Debatten
Feindbild Asylwerber?
Die derzeitige Zuspitzung des Themas "Ausländer" macht manchen Menschen Sorgen. Was ist los in diesem Land, ist man versucht zu fragen. Welchen Wandel hat der Begriff Asyl erfahren? Und - haben wirklich so viele Österreicher Probleme damit?
8. April 2017, 21:58
Flüchtlingshelferin Margarethe Aschauer über Bad Kreuzen
Seit Wochen kocht in Österreich die Debatte um das geplante Asyl-Erstaufnahmezentrum Eberau. Fast hat es den Anschein, als gäbe es kein anderes innenpolitisches Thema mehr als die heimische Asylpolitik. Auch in anderen europäischen Ländern läuft nicht alles rund, wenn es um Migration geht. Doch nirgendwo sonst wird die Debatte derart emotional und bisweilen schamlos geführt wie hierzulande, konstatieren kritische Beobachter.
Das Thema "Ausländer" ist nicht neu - seit Jahrzehnten schon werden damit Politik, Schlagzeilen und Angst gemacht. Doch die derzeitige Zuspitzung macht manchen Menschen Sorgen. Vor allem den Betroffenen, die mehr von der Diskussion mitbekommen, als man vielleicht meinen möchte. Was ist los in diesem Land, ist man versucht zu fragen? Welchen Wandel hat der Begriff Asyl erfahren? Und - haben wirklich so viele Österreicher Probleme damit?
Dramatischer Wertewandel
Christian Friesl ist Co-Autor einer politischen Langzeitstudie, die sich mit dem Wertewandel in Österreich von 1990 bis 2008 befasst hat. Die Ergebnisse lassen aufhorchen: Inzwischen ist jeder zweite Österreicher klar ausländerfeindlich. Ein Fünftel der Bevölkerung kann sich vorstellen, einen starken Führer zu haben, der sich nicht um ein Parlament und Wahlen kümmern muss. 45 Prozent der Österreicher sehnen sich nach einem "starken Mann" und 21 Prozent würden der Demokratie keine Träne nachweinen.
Asylwerber und Kriminalität: Geht man nach bestimmten - vor allem kleinformatigen - Zeitungen, ist das eine mit dem anderen unumstößlich verknüpft. Dabei sprechen die Zahlen eine andere Sprache, und die Taten, derer sich Asylwerber bisweilen schuldig machen, sind vor allem im Bereich Kleinkriminalität zu finden.
Die Debatte darüber, ob Asylwerber künftig eine Zeitlang in den Betreuungseinrichtungen des Innenministeriums angehalten werden sollen, beschäftigt die Innenpolitik nun schon eine Weile, der Ausgang der Diskussion ist ungewiss. Dass mit einer solchen Maßnahme Menschen mit kriminellen Vorhaben aufgehalten werden könnten, wird von Flüchtlingsorganisationen jedoch bezweifelt.
Zusammenleben ist möglich
"Was für die Schweiz das Rote Kreuz ist, ist für Österreich das Asylrecht", soll Bruno Kreisky einst gesagt haben. Der Begriff "Asyl" hat in den letzten Jahren jedenfalls einen radikalen Bedeutungswandel erfahren. Doch nicht überall sieht man das Zusammenleben mit Flüchtlingen so negativ. Im oberösterreichischen Bad Kreuzen leben über 100 Asylwerber, untergebracht in einer Bundesbetreuungsstelle, Seite an Seite mit den Ortsbewohnern. Der Lokalaugenschein macht deutlich, dass sich die über 100 Bewohner hier offenbar wohl fühlen.
Das ehemalige Kneipp-Kurhaus ist zwar nicht mehr im besten Zustand, doch die Flüchtlinge haben hier so etwas wie Privatsphäre. Auch für die Kinder gibt es Betreuung, die älteren besuchen eine eigene Klasse in der Volkschule von Bad Kreuzen, wo sie individuell betreut werden.
Die Beherbergung von Flüchtlingen hat in der Region jahrzehntelange Tradition, die Bewohner haben sich mit der Situation längst arrangiert. Und immerhin hat der Ort durch die Asylwerber auch wirtschaftliche Vorteile, denn von der Apotheke bis zum Lebensmittelladen gehören die Bewohner des Lagers Bad Kreuzen zu den zahlenden Kunden. Einzig die freundschaftlichen Bindungen zwischen den Bad Kreuzenern und den Flüchtlingen sind schwierig zu realisieren, da Bad Kreuzen eine Dublin-II-Einrichtung ist. Die sogenannte Dublin II-Verordnung ist eine Verordnung der Europäischen Union, nach der der Mitgliedsstaat bestimmt wird, der für die Durchführung eines Asylverfahrens zuständig ist. Den meisten Flüchtlingen, die in Bad Kreuzen landen, steht früher oder später die Abschiebung in dieses Land bevor.
Den Betroffenen entgehen die Aversionen vieler Österreicher jedenfalls nicht. Die Stimmung unter ihnen ist schlecht - und sie fürchten sich vor noch schärferen Asylgesetzen.
Hör-Tipp
Journal-Panorama, Dienstag, 16. Februar 2010, 18:25 Uhr
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Bundesministerium für Inneres
Bad Kreuzen