Lucy und die Folgen

Steinige Spuren aus der Vergangenheit

Die Afar-Senke im Osten Äthiopiens: eine steinige Wüste mit vereinzelten Hartlaubgewächsen, über die ständig der Wind pfeift. Sie ist eines jener Gebiete, an denen Paläoanthropologen besonderes Interesse haben. Besonders seit dort Lucy gefunden wurde.

Die Afar-Senke im Osten Äthiopiens: eine steinige, hügelige Wüste mit vereinzelten Hartlaubgewächsen, über die ständig der Wind pfeift. Sie ist eines jener Gebiete, an dem Paläoanthropologen besonderes Interesse haben. 1974 wurden dort die fossilisierten Knochen des Skeletts eines Australopithecus afarensis gefunden.

Der Fund wurde unter dem Namen Lucy berühmt. Sie wird von Wissenschaftlern als etwa 25-jährige Frau beschrieben, die vor rund 3,2 Millionen Jahren gelebt haben soll. Aus einer nicht allzu weit entfernten Gegend stammt Ardi, jenes Skelett, das 2009 Furore in der Wissenschaftswelt machte. Ardi war ein Ardipithecus-ramidus-Weibchen, eine Art, die wie Lucy ebenfalls als Vorfahre der heutigen Menschen interpretiert wird.

Die Wiege der Menschheit

Das östliche Äthiopien wird daher gerne als die Wiege der Menschheit bezeichnet. Gefunden werden die fossilen Überreste der frühen Hominiden im Staub und Sand der Wüste, wo sie mehr oder weniger an der Oberfläche liegen. Ein internationales Wissenschaftlerteam unter Leitung des Anthropologen Horst Seidler von der Universität Wien hat seit 2000 eine Grabungslizenz in Äthiopien. Wobei graben nicht ganz wörtlich gemeint ist. Das Gebiet, das den Wissenschaftlern zugeteilt wurde, ist 100 Quadratkilometer groß, die Forscher suchen es nach dem ab, was an Fossilien an der Oberfläche zu liegen gekommen ist.

Die Fossilien sind in dieser Gegend immerhin schätzungsweise rund vier Millionen alt. Das wissen die Forscher dank der Arbeit der Geologen. Immer wieder ragen aus dem Sand vulkanische Gesteine heraus. Galili, die Fundstelle, an der das Grabungsteam arbeitet, liegt im ostafrikanischen Grabenbruch, der so etwas wie ein Mekka für Paläoanthropologen ist.

Das hat eine lange Vorgeschichte. Beginnen wir mit dem Zerfall Gondwanas. Der ehemalige südliche Großkontinent Gondwana vereinigte die heutigen Kontinente Südamerika, Afrika, Antarktis, Australien und Indien. Mit seinem Zerfall vor rund 130 Millionen Jahren begann Afrika nach Norden zu driften - mit einer Geschwindigkeit von etwa drei Zentimeter pro Jahr.

Ein paar Millionen Jahre später stieß Afrika auf Eurasien und es begann ein Kollisionsprozess, der mehrere Millionen Jahre dauerte - und dramatische Folgen unter anderem für den afrikanischen Kontinent hatte. Besonders interessant für den ostafrikanischen Grabenbruch war die Kollision des afrikanischen Kontinents mit Europa im Bereich von Anatolien vor rund 40 Millionen Jahren. Dieser Zusammenstoß blockierte die Drift Afrikas - es entstanden Spannungsfelder und Risse im ostafrikanischen Kontinent.

Geologische Bewegungen

Ein solcher Riss führte zur Abspaltung Arabiens und zur Entstehung des Roten Meeres. Ein anderer zog sich im Landesinneren von Nord nach Süd durch Ostafrika: der Ostafrikanische Grabenbruch. Er dehnt sich bis heute zwischen 0,4 und 1mm pro Jahr aus. Genug, um über die Jahrmillionen ordentlich Bewegung in die Geologie Ostafrikas zu bringen.

Wo die Kontinentalkruste aufbricht, kann Material aus den tieferen Schichten des Erdmantels an die Oberfläche dringen. Laven und Magma infolge reger Vulkantätigkeit brachten und bringen Bewegung in die Struktur der Erdoberfläche von Äthiopien über Kenia bis nach Tansania. Der Vulkanismus blieb die aktiv treibende Kraft für die weitere Ausdehnung des Grabenbruchs. Die Erdkruste wölbte sich auf, brach ein, wölbte sich wieder auf,...bis mit der Zeit eine Landschaft entstand, die die Geologen Horst- und Grabensystem nennen. Und die mit ihren schollenartigen Bergen und tiefen Gräben dazwischen besondere Voraussetzungen für die Evolution unserer Vorfahren bot.

Bewaldete See- und Flussufer waren wahrscheinlich die Umgebung, in der sich Pflanzen, Tiere und eben auch die menschlichen Vorfahren in Ostafrika entwickelten. Günstige Lebensräume - bis zum nächsten Vulkanausbruch. Sedimentschichten und Schichten aus vulkanischem Gestein wechselten sich im Lauf der Jahrmillionen ab. Die spezielle Tektonik, der Aufbau der Erdkruste in dieser Gegend ist nicht nur für Geologen interessant - sie liefert auch wesentliche Hinweise für die Altersbestimmung von Fossilien. Mithilfe von Magnetfeldmessungen und Messungen des radioaktiven Zerfalls von Elementen im Gestein können die Geologen das Alter der einzelnen Schichten bestimmen.

Hör-Tipp
Dimensionen, Mittwoch, 17. Februar 2010, 19:06 Uhr