E = mv2/2
Die berühmtesten Formeln der Welt
Seit gut vier Milliarden Jahren existiert die Erde, so wurde es berechnet. Auf ein paar Jahre mehr oder weniger soll’s dabei nicht ankommen. Und seit der blaue Planet seine kosmische Bahn um die Sonne zieht, begleiten Meteoriteneinschläge seinen Weg.
8. April 2017, 21:58
Ganz zu Beginn waren es recht viele Meteoriteneinschläge, weil noch eine größere Zahl vereinsamter Gesteinstrümmer durch das halbfertige Sonnensystem schwirrte. Mit der Zeit wurden es weniger. Doch auch heute noch stürzt durchschnittlich etwa alle 100 Jahre ein größeres Exemplar der kosmischen Geschosse vom Himmel, bohrt sich irgendwo in den Planeten und hinterlässt einen, je nachdem, größeren oder kleineren Einschlagkrater.
Der nächstgelegene, von Österreich aus gesehen, zugleich der am besten erforschte weltweit, ist das Nördlinger Ries im bayrischen Landkreis Donau-Ries, nordwestlich von München: Durchmesser 25 Kilometer, Tiefe heute 150, ursprünglich einmal 500 Meter - spätere Ablagerungen haben den Krater wieder aufgefüllt. Immerhin gingen über das Ries mehrere Eiszeiten hinweg. Davor war es ein paar Millionen Jahre lang der größte See Mitteleuropas. Entstanden ist das Loch im Boden vor etwa 15 Millionen Jahren.
Die beeindruckendste und wahrscheinlich bekannteste der großen Einschussdellen in der Erdkruste findet sich in Arizona in Form des Barringer-Kraters: 50.000 Jahre alt, 1,2 Kilometer Durchmesser, 180 Meter tief. Dank seiner "Jugendlichkeit" und der relativ niederschlagsarmen Umgebung, in der er liegt, ist der Barringer-Kater bestens erhalten und eine der großen Touristenattraktionen des US-Wüstenstaats.
Tunguska
Der bislang jüngste Einschlag fand im Jahr 1908 in Sibirien am Fluss Tunguska statt, in einer, glücklicherweise, nahezu unbesiedelten Gegend. Lange Zeit war umstritten, ob die gewaltige Tunguska-Explosion, die bis zu einer Entfernung von 30 Kilometern den gesamten sibirischen Wald umknickte, und die noch im 65 Kilometer entfernten Dorf Wanawara Türen und Fenster eindrückte, tatsächlich von einem Impakt, einem Treffer durch ein kosmisches Objekts stammte. Sogar vom Absturz eines außerirdischen Raumschiffs, von einem UFO, war in Esoteriker-Zirkeln die Rede.
Heute gilt als weitgehend gesichert, dass 1908 an der Tunguska ein Meteorit nieder ging: dass etwa der 50 Meter tiefe, 300 bis 600 Meter große, ovale Tscheko-See der mit Wasser vollgelaufene Krater ist, verursacht durch das größte Bruchstück des ursprünglichen Meteoriten.
Andere untypische Befunde erklären sich dadurch, dass der Impaktor in einem sehr flachen Winkel auf die Erdoberfläche traf, daher die ovale Form des Sees, und er größtenteils nicht aus dem üblichen Eisen, sondern aus porösem Gestein und aus Eis bestand. Er explodierte daher noch vor dem Aufprall in der Luft und zerlegte sich in Teilstücke. Diese schlugen zudem in einen wasserreichen Frostboden ein, de facto in einen gefrorenen Sumpf. Deshalb fehlt der sonst typische, aufgeworfene Kraterrand: Er versank gleich wieder im Schlamm.
Apokalyptische Zahlen
Studiert man die Forschungsberichte über diese Einschläge, so fallen die enormen Energiemengen auf, die dabei in Verdampfung, Verformung, Zerstörung und Zertrümmerung umgesetzt werden. Gemessen werden sie meist in "Hiroshima-Bomben": der Anzahl von Atombomben jener Stärke, die 1945 über Hiroshima explodierte. Eine etwas makabere Maßeinheit, aber eine bessere haben wir nicht.
Beim Tunguska-Impakt waren es etwa 1.000, die frei gesetzte Energie entsprach also der von 1.000 Hiroshima-Bomben. Manche Schätzungen reichen gar bis 3.000 oder 4.000 und dies, obwohl der Meteorit selbst bloß einen Durchmesser von etwa 50 Metern hatte.
Beim Nördlinger Ries werden die Zahlen dann schon phantastisch: Der Brocken selbst maß etwa 1.500 Meter im Durchmesser, war also durchaus noch überschaubar. Die beim Einschlag freigesetzte Energie entsprach indes der von ein bis zwei Millionen Hiroshima-Bomben.
Der Effekt war apokalyptisch: Die Temperatur am Einschlagpunkt erreichte 30.000 Grad Celsius, so wird geschätzt. Drei Kubikkilometer irdischen Gesteins verdampften, nebst dem Meteoriten selbst. Ein Vielfaches davon wurde geschmolzen. Es dauerte danach 2.000 Jahre, bis sich der See aus flüssigem Gestein im Krater wieder auf unter 100 Grad Celsius abgekühlt hatte.
Der Feuerball der Detonation stieg 30 Kilometer hoch in die Atmosphäre auf, er erschien in 100 Kilometern Entfernung noch 70 Mal heller als die Sonne. In dieser Entfernung verbrannte die Hitze Laub, Gras und auch kleine Bäume sofort. Die Windgeschwindigkeit infolge der Druckwelle betrug in diesen 100 Kilometern Distanz 600 Stundenkilometer. Das folgende Erdbeben ließ ganze Gebirge zusammenbrechen und lenkte Flüsse in ihrem Lauf großräumig um, so etwa die österreichische Mur, die erst durch den Impakt den Weg ins Grazer Becken fand. Davor floss sie daran vorbei.
Flüssiges Gestein wurde bis in die Gegend des heutigen Prag in 450 Kilometern Entfernung geschleudert, wo es sich heute in Form typischer glasiger Gesteinströpfchen findet. Nicht zuletzt: Der Aufprall war rund um die Erde zu hören, am entgegen gesetzten Punkt der Erdkugel immer noch so laut wie übliches menschliches Sprechen.
Energie ist Masse mal Geschwindigkeit zum Quadrat halbe
Unfassbar. Man kann sich nun fragen, wie derartiges möglich ist. Wie vergleichsweise überschaubare Steinbrocken aus dem All derartige Zerstörungen auslösen, buchstäblich den Planeten erschüttern können.
Die Antwort gibt die Physik mit einer auf den ersten Blick unscheinbaren Formel: E = mv²/2 - Energie ist Masse mal Geschwindigkeit zum Quadrat halbe. Sie weist die kinetische Energie aus, die Energie, die in der Bewegung eines bewegten Objekts steckt.
Nun ist plausibel, dass diese Energie einerseits mit der Masse des Objekts, andererseits mit seiner Geschwindigkeit steigen sollte. Bei der Masse ist das auch ohne weitere Zusätze der Fall. Bei der Geschwindigkeit steht in der Formel aber ein Quadrat: v². Und das bedeutet: Die Energie wird mit der Geschwindigkeit nicht bloß höher, sie steigt sogar ganz unverhältnismäßig. Mathematisch gesagt, eben quadratisch.
Beim doppelten Tempo hat das Objekt die vierfache Energie, bei der dreifachen Geschwindigkeit die neunfache. Verzehnfacht sich die Geschwindigkeit, steckt in ihr bereits die hundertfache Energiemenge.
Das erklärt auch die zerstörerische Wirkung etwa einer Gewehrkugel: Hält man so ein Projektil in der Hand, ist es ein Metallkügelchen von selten mehr als fünf Millimetern Durchmesser. Man kann sich kaum vorstellen, wie dieses winzige Ding einen Menschen ernsthaft verletzen oder gar töten sollte. Mit der bloßen Hand geworfen, kann es das auch nicht. Doch bei der typischen Geschwindigkeit von etwa 1.500 Stundenkilometern, die es, aus einem Jagdgewehr geschossen, erreicht, oder bei den bis zu 4.000 km/h aus einer Militärwaffe, wird die kleine Kugel für jedes Lebewesen zur tödlichen Gefahr.
Nicht anders bei Meteoriten, die auf der Erde einschlagen, bloß sind die Geschwindigkeiten dabei noch um einiges höher: Sie liegen um die 100.000 km/h. Konkret: Aus himmelsmechanischen Gründen treffen Geschosse aus dem Weltraum generell mit 40.000 bis 280.000 Stundenkilometern auf der Erdoberfläche auf.
Bleiben wir bei den durchschnittlichen 100.000 Stundenkilometern: Gegenüber den 100 km/h eines Autos ist das das 1.000-fache Tempo. Die darin verborgene Energie beträgt aber, wie die Formel Energie ist Masse mal Geschwindigkeit zum Quadrat halbe sagt, eine Million. Und das lässt dann sogar den Planeten erzittern.