Auf zwei Kontinenten

Christoph Eschenbach ist 70

Klavierrecitals sind ihm schon lange nicht mehr wichtig, dennoch setzt er als dirigierender Pianist immer wieder gerne Klavierkonzerte aufs Programm; jüngst in Paris - an seinem Geburtstag - sogar zwei an einem Abend: beide A-Dur-Konzerte von Mozart.

Eschenbach über Lang Lang

Hauptberuflich leitet Christoph Eschenbach Orchester, sowohl als Gast (zum Beispiel die Wiener Philharmoniker), als auch als Chefdirigent (zum Beispiel das Orchestre de Paris und bald das National Symphony Orchestra des John F. Kennedy Centers in Washington), aber ganz kann er dennoch vom Klavier nicht lassen.

Immer wieder streut er in seine Konzertprogramme Klavierkonzerte Mozarts oder des jungen Beethoven ein, die er vom Klavier aus, das er so delikat behandelt, wie wenige, selbst dirigiert. Letzthin während der Salzburger Mozartwoche hat er sogar als Dirigent der Wiener Philharmoniker auch zwei Mozart-Konzerte gespielt - das für zwei Klaviere gemeinsam mit Lars Vogt. Doch ganze Soloabende gibt er schon lange nicht mehr, dazu ist ihm seine Dirigiertätigkeit, die er auf mehreren Kontinenten ausübt - dies- und jenseits des Atlantiks auch als Chefdirigent - zu wichtig.

Erste Schritte

Während des Zweiten Weltkriegs geboren, hat er früh die Eltern verloren. Die Mutter starb bei der Geburt, der Vater - Musikwissenschaftler von Beruf - an den politischen Konsequenzen seiner Regimegegnerschaft und so wuchs der Junge zunächst bei der Großmutter, nach deren Tod bei einer Cousine seiner Mutter mit Namen Eschenbach auf.

Sie war Pianistin, entdeckt bald das musikalische Talent, gab ihm Unterricht und der kleine Christoph gewann schon als Zehnjähriger den 1. Preis beim Hamburger Steinway Wettbewerb.

Wettbewerbssiege

Dann ging es hochprofessionell weiter, an der Kölner Musikhochschule, bei unterschiedlichen Lehrern auch danach. Das Resultat zeigte sich in mehreren Wettbewerbssiegen - 1962 beim ADR-Wettbewerb und vor allem im Jahre 1965 beim Clara-Haskil-Wettbewerb in Luzern - wo er den Sieg davongetragen hat.

Mit diesem Schweizer Preis begann eine Weltkarriere. 1969, mit 29 Jahren, trat Eschenbach erstmals als Pianist in den Vereinigen Staaten von Amerika auf, heute ist er Chef eines der berühmtesten Orchester dieses Kontinents - doch seine mediale Tätigkeit begann schon lange davor.

Der Plattenstart

"Wolfgang, von Gott geliebt", hieß die erste Schallplatte mit dem 14-jährigen Christoph Eschenbach, die von der Deutschen Grammophon Mitte der 1950er Jahre produziert wurde. Das Fast-noch-Wunderkind Eschenbach spielte Menuette und Kammermusik des bekanntesten Wunderkindes der Musikgeschichte.

Es war eine Mozart-Platte für Kinder, dessen Kindheit der DG-Märchenerzähler vom Dienst, Matthias Wieman, in plastischen Worten schilderte.

Begegnung der besonderen Art

Der talentierte Klavierstudent Christoph Eschenbach aus Köln hat nach dieser Plattenaufnahme in Hamburg (er war ja Preisträger des Steinway Preises der Hansestadt) ein Studium an der Hamburger Hochschule für Musik und Theater begonnen. Dort besuchte er bald nicht nur eine Klavier-, sondern auch eine Dirigentenklasse.

Eschenbach machte eine prägende Bekanntschaft mit einem großen Theatermann: Damals war Gustaf Gründgens Direktor des Hamburger Schauspielhauses und viele Mitglieder seines Theaters unterrichteten in Schauspielklassen derselben Hochschule.

Chanson statt Lied
Der Name des vielversprechenden jungen Mannes war dem Theaterdirektor zu Ohren gekommen, und so machte der Musikstudent Eschenbach, pianistisch bereits bestens ausgebildet, seine ersten Erfahrungen als Klavierbegleiter nicht mit Schumann, wie später an der Seite Dietrich Fischer-Dieskaus, ja überhaupt nicht im klassisch-romantischen Liedrepertoire, sondern mit Chansons der Zwanziger Jahre.

Offenbar hat man ihn Gründgens als musikalisch anpassungsfähigen Musiker empfohlen und so fand sich der junge Pianist eines frühen Morgens auf der Probebühne des Schauspielhauses ein, um dort dem legendären Theatermann beim Einstudieren eines Programms für einen neuen Chansonabend an die Hand zu gehen. Gründgens wollte allerdings nicht mit Klavierbegleitung auftreten, sondern mit Eschenbach nur ein Privatband aufnehmen, das er als Übungsgrundlage beim Einstudieren des Tourneeprogramms verwenden konnte.

Weg zu Mahler
Eschenbach erzählt heute gerne, dass er aus dieser ungewöhnlichen Begegnung - leider starb Gründgens bald danach - viel für seine Musikerkarriere gelernt hat. Zunächst bei den Proben für den Chansonabend, die von ihm viel Flexibilität in Dynamik und Tempo beim Umgang mit so ungewohnter Musik verlangten.

Gründgens konnte an langen Schallplattenabenden den jungen Mann nachhaltig für die Musik Gustav Mahlers begeistern, dessen Werke damals noch kaum bekannt waren. Heute taucht dieser Name häufig im Repertoire des Dirigenten Christoph Eschenbach auf, so oft, dass jetzt sogar sämtliche Symphonien in seiner Interpretation auf CD verfügbar sind.

Hör-Tipp
Musikgalerie, Montag, 22. Februar 2010, 15:05 Uhr

Links
Christoph Eschenbach
YouTube - Lang Lang - First Encounter with Christoph Eschenbach

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