Architektur und das Lebensgefühl im Gebäude
Squid Architecture
Bereits zum achten Mal präsentiert das Architekturfestival Turn On im März einen Überblick der österreichischen Architekturszene. oe1.ORF.at hat die Vortragenden via E-Mail-Interview zu Innovationen und Trendwenden im privaten und öffentlichen Bauwesen befragt.
8. April 2017, 21:58
Die Appartementanlage "Sun II" von Squid Architecture ist ein Wohnbau, der im Vergleich zu anderen Beispielen bei Turn On praktisch in jeglicher Hinsicht aus der Reihe fällt: zunächst aufgrund seiner Lage in einer Kleinstadt in Osttirol, dann aufgrund seiner privaten Bauherrschaft und schließlich wegen seiner Architektur, die aktuellen Strömungen kaum zuzuordnen ist. Gundolf Leitner, selbst Osttiroler, verwendet auf eigenwillige Weise häufig Rundungen und organische Formen.
Die Appartementanlage in Matrei stellt ein Terrassenhaus im steilen Hang dar. Auch hier ist der Freiraum ein zentrales Thema. Die einzelnen Wohnungen sind in selbständigen, quasi deformierten und abgerundeten Körpern übereinandergestapelt; dazwischen dienen langgestreckte, unregelmäßig konfigurierte Innenhöfe, die mit Glas überdeckt zu halbprivaten Räumen werden, der Erschließung und schaffen eine spezielle Atmosphäre. Diese wird in den Wohnungen transponiert. Hier dominieren Materialien mit künstlich wirkenden Oberflächen und auffälliger Farbgebung.
oe1.ORF.at: Die Weltwirtschaftskrise hat zu einer Neubewertung von Bauvorhaben in Boom-Ländern geführt: Sehen Sie Anzeichen, dass die Gigantomanie (Stichwort Burj Dubai) von einer neuen Bescheidenheit abgelöst wird?
Squid Architecture: Eher nicht - Megaprojekte werden weiterhin um jeden nur erdenklichen ökonomischen und ökologischen Preis realisiert werden.
Welche österreichischen architektonischen Innovationen der ersten zehn Jahre des 21. Jahrhunderts haben für Sie das Potenzial, im neuen Jahrzehnt einen internationalen Trend setzen zu können?
Modularer Wohnbau. Gebäudetechnisch und energetisch optimierte Gebäude - Stichwort Nullenergie und Plusenergiehaus. Momentan wird zu eindimensional gedacht – Stichwort "mehr Wärmedämmung ist gleich besseres Gebäude (Passivhaus)". Was dabei vergessen wird, ist die Architektur und das Lebensgefühl im Gebäude. Ein ganzheitlicher Blick auf diese Situation könnte in dieser Dekade Trend werden. Ziel: Die positive Gebäudeenergiebilanz folgt der Architektur - nicht umgekehrt.
Dome, Regierungsgebäude, Museen und Sportstadien gelten als Wahrzeichen von Machteliten - welche architektonischen Symbole sind für Sie wichtig?
Jedes noch so kleine Stück guter Architektur ist ein Symbol. Groß- und Megaprojekte reichen nicht aus, die Einstellung zur Architektur tief in die Gesellschaft einsickern zu lassen. Eine großflächige Bereitschaft von Bauherren, die zeitgenössische Architektur als Teil unserer Kultur- und Lebenssituation wahrzunehmen, wäre erstrebenswert - damit konzentriert sich die Architektur nicht auf einige wenige (im Sinne der Fragestellung "elitäre") Hot Spots, sondern wird mehr Teil unser aller Leben.
Welche städtebaulichen Maßnahmen müssen Ihrer Ansicht nach in Wien bis 2020 getroffen werden, um ein nachhaltiges Wachsen der Stadt zu gewährleisten?
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Ergeben sich aus der zunehmenden Vermischung privater und beruflicher Nutzung von Wohnräumen neue gestalterische Anforderungen?
Ja, diese Tendenz sollte im künftigen Wohnbau berücksichtigt werden: Flexibel nutzbare Wohnräume (Grundrisse, intelligente Möblierungskonzepte) bis hin zu Multifunktionsräumen für mehrere Bewohner (Besprechungen, Präsentationen etc. mit entsprechender technischer Ausstattung - Internet, Beamter etc.).
Welche Chancen und Risiken entstehen aus dem Spannungsfeld "Privatsphäre versus staatliche Überwachung" bei der Planung öffentlicher Räume?
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2009 gab es an zahlreichen tertiären Bildungseinrichtungen Proteste gegen den Bologna-Prozess. Welche Ansprüche stellen Sie an ein zeitgemäßes Architekturstudium?
Adaptierung der Studienpläne (müssen gestrafft werden) - Schwerpunkt: zusammenhängendes Wissen - Verknüpfung der Gegenstände - in manchen Bereichen weniger Detailvermittlung. Einführung von Instrumenten, die den Studierenden mehr auf seine spezifischen Fähigkeiten hinführen. Weniger Pauschalstudium - mehr spezifische Möglichkeiten für Spezialbereiche. Ziel: Die Studierenden müssen erkennen, in welchen Bereich der Architektur ihre Stärken liegen (nicht jeder Absolvent muss Gebäude entwerfen).
Sie sind heuer bei Turn On 2010 mit dem Projekt Appartementanlage "Sun II" vertreten: Welche digitalen Kommunikationsinstrumente waren in der Planung und welche in der Umsetzung wichtig?
3D-Planungsprogramme
3D-Renderprogramme
Web - Materialrecherche etc.
E-Mail
ftp-Server - Datenaustausch
Style
Veranstaltungs-Tipps
8. Architekturfestival Turn on, Samstag, 6. März 2010, 13.00 bis 22.00 Uhr, ORF Radiokulturhaus - KulturCafé und Großer Sendesaal, Eintritt: frei
Mehr dazu in radiokulturhaus.ORF.at
Turn On Partner, Freitag, 5. März 2010, TU Wien, Kuppelsaal im Hauptgebäude, 13:30 Uhr bis 19:00 Uhr, Eintritt frei
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