Die Weichen sind gestellt
Wüstenstrom
Es zählt zu den größten Energieprojekten weltweit. Das Wüstenstromprojekt Desertec soll in Zukunft Öko-Strom von der Sonne der Sahara liefern. Zunächst in die Erzeugerländer im Nahen Osten und in Nordafrika, später auch nach Europa.
8. April 2017, 21:58
80 Wissenschaftler, Interessierte und Politiker aus Nordafrika, dem Nahen Osten und Europa haben sich Gedanken gemacht, wie man die Idee der Erzeugung von Strom in Wüstengebieten fruchtbar machen kann. Daraus ist das Wüstenstromprojekt Desertec entstanden. Hinter der Idee steht unter anderem der Club of Rome. Noch ist Desertec eine Vision. Die Anfänge reichen in die 1970er Jahre zurück, doch nun sind die Weichen für konkrete Überlegungen gestellt.
Desertec für Klimaschutz und Friedenssicherung
Im Oktober 2009 gründeten zwölf Großunternehmen und Banken die Planungsgesellschaft Desertec Industrial Initiative. Die Unternehmen wollen das bisher größte Solarstromprojekt entwickeln und Strom zunächst in die Erzeugerländer im Nahen Osten und in Nord-Afrika liefern, später auch nach Europa.
Klimaschutz ist das oberste Ziel. Dazu kommen die Sicherung des Friedens und die Schaffung neuer Arbeitsplätzen, sagt der marokkanische Brennstoffchemiker Abdelaziz Bennouna vom Nationalen Forschungszentrum in Rabat. Er ist einer der Väter von Desertec.
400 Milliarden Euro Kosten bis zum Jahr 2050
Bis zum Jahr 2050 sollen 15 Prozent des europäischen Strombedarfs über Hochspannungs- Gleichstromleitungen mit sauberem Wüstenstrom aus solarthermischen Kraftwerken gedeckt werden. Das wären 100 Gigawatt, dies entspricht der Leistung von knapp 100 Kernkraftwerkblöcken. Die Kosten für Desertec bis zum Jahr 2050 werden auf 400 Milliarden Euro geschätzt.
Es gibt Berechnungen, wonach die Wüsten der Erde in sechs Stunden mehr Energie von der Sonne empfangen, als die Menschheit in einem Jahr verbraucht.
Braucht Europa sauberen Strom aus der Wüste?
Gegen Desertec wird manchmal eingewendet, dass Europa bis zum Jahr 2050 selber genug Erneuerbare Energien produzieren wird und nicht auf zusätzlichen Öko-Strom aus der afrikanischen Wüste angewiesen sein wird.
Doch solarthermische Kraftwerken liefern 24 Stunden am Tag Strom nach Bedarf. Das ist ihr Vorteil gegenüber erneuerbarer Energie aus Photovoltaik oder Windkraft. Wärmespeicher können am Tag gewonnene Wärme aufnehmen und nachts Dampfturbinen antreiben oder bei Nachfragespitzen zusätzlichen Dampf erzeugen. Photovoltaik oder Wind benötigen teure Speicher wie Pumpspeicherkraftwerke.
Ein weiterer Einwand gegen Desertec betrifft die Dimension des Projekts. Durch die zentrale großtechnische Versorgung könnten kleine dezentrale Versorger ausgehungert werden könnten, befürchten Kritiker, wie zum Beispiel Vertreter von Eurosolar, der europäischen Vereinigung der Erneuerbaren Energien.
Problem Wasser für die Kühlung
Ein äußerst kritischer Punkt für solarthermische Kraftwerke in der Wüste ist der Mangel an Wasser. Wasser wird vor allem für die Kühlung der Kraftwerke gebraucht und für die Reinigung der Spiegel.
Es gibt Überlegungen, die Kraftwerke relativ nahe zum Meer hin zu bauen, Meerwasser zu entsalzen und dieses für die Kühlung zu verwenden. Ein Haken dabei: In Meeresnähe scheint die Sonne nicht mehr 360 Tage im Jahr.
Ein Hemmschuh bei der Realisierung von Desertec ist die politische Instabilität in den Ländern des Nahen Ostens und Nordafrikas. Es könnte Terroranschlägen auf die Kraftwerke und Netze geben, wird befürchtet. Im Zuge von Konflikten könnte es zu Lieferschwierigkeiten kommen, ähnlich wie in Folge des Erdgasstreits zwischen Russland und der Ukraine im Jahr 2008.
Das Desertec Projekt muss sich darüber hinaus vor allem von europäischen Kritikern oft fragen lassen, ob damit Europa in neokolonialer Art den Nahen Osten und Nordafrika ausbeuten will.
Hör-Tipp
Dimensionen, Donnerstag, 4. März 2010, 19:06 Uhr