Der Filmemacher Romuald Karmakar

Dokumente der Kompromisslosigkeit

Der eigensinnige Filmemacher Romuald Karmakar entwirft und zeigt die Grauen der Vergangenheit. Er porträtiert "randständige" Menschen wie Söldner, Kampfhund-Besitzer oder radikale Islamisten. Begonnen hat alles in Berlin mit einer Super-8-Kamera.

Soldaten mit nackten Oberkörpern schlagen mit ihren kurzgeschorenen Schädeln auf ihre Spinde ein, wieder und wieder, bis sie blutig sind. Zwischen ihren krachenden Kopfstößen grinsen die Männer in eine Super-8-Kamera. Dahinter filmt einer ihrer Kollegen, der Soldat Romuald Karmakar.

Seine Schulzeit hatte das Kind eines iranischen Vaters und einer französischen Mutter im deutschen Gymnasium in Athen verbracht. Mit 17 zog Karmakar, der den Namen seines indischen Stiefvaters trägt, nach München. Dort wird er bald Teil der Szene um das Werkstattkino.

"Wir haben Punk gehört, Fußball gespielt und uns dann so wie die Leute in Berlin auch eine Super-8-Kamera gekauft." Er war also in gewisser Weise immer schon fremd in einem Land, an dessen großer Geschichte und an dessen kleinen Geschichten er sich bis heute, in großer Bandbreite zwischen Fiktion und Dokumentation, wie kaum ein Deutscher abarbeitet.

Neutraler Beobachter

Karmakas Dokus bieten einen vorurteilslosen, erhellenden und manchmal auch zärtlichen Blick auf diejenigen an, auf die ansonsten mit dem Finger gezeigt wird: Söldner, Boxer oder Bordellbesitzer. Seine Verweigerung einer klaren moralischen Haltung sorgte und sorgt aber auch für Missverständnisse und teils heftige Kontroversen - etwa anlässlich des dreistündigen Auftragskiller-Epos "Warheads" von 1992, der Legionäre und Söldner unkommentiert ihre Sicht der Dinge darstellen lässt.

Der heute in Berlin lebende und dennoch so gar nicht mit der sogenannten Berliner Schule assoziierte Regisseur hat zwar schon viele Preise gewonnen, schlägt aber für eine kontinuierliche Karriere zu viele Haken, denn viele seiner Filme sind kompromisslose Auslotungen filmischer Möglichkeiten - zu radikal wohl, um ein Massenpublikum zu erreichen.

Zum Beispiel seine mehrstündigen Rhetorikstudien "Das Himmler-Projekt und "Hamburger Lektionen". Beide Filme übersetzen einen dokumentierten Text, im ersten Fall die berüchtigte Rede Himmlers vor der SS-Elite 1943 und im zweiten Fall die religiösen Unterweisungen des als Hassprediger bekannt gewordenen Hamburger Imams Mohammed Farazi in das Setting einer kargen Bühnensituation. Ein Schauspieler stellt die Demagogie nicht nach, sondern bloß, indem er betont nüchtern den Text als rhetorisches Ganzes zur Kenntnis bringt.

Größter Erfolg mit Götz George

Der mit Abstand größter Mainstream-Erfolg Karmakars war sein Spielfilmdebüt "Der Totmacher" von 1995, in dem Götze George den Massenmörder Fritz Haarmann spielt, gedreht nach dem Script der psychiatrischen Vernehmungsprotokolle aus den 1920er Jahren.

Es folgten kommerzielle Flops wie das deutsche Urlaubersittenbild "Manila" und die Dokumentation "Land der Vernichtung" von 2003, eine Recherchereise zu den ehemaligen Konzentrationslagern in Südostpolen. Die Basis von "Land der Vernichtung" bildet, wie so oft bei Karmakar, ein historisches Dokument - in dem Fall Tausende von Akten zu den Verbrechen und Morden eines Hamburger Polizei-Bataillons.

"Ein vollkommener Film"

Irgendwann auf seiner Reise steht der Regisseur vor einer Grabsteininschrift in Treblinka, die wie ein Motto für seinen eigenen Antrieb stehen könnte: "Ich werde den Schmerz niemals vollständig verstehen, aber hoffentlich komme ich irgendwann zu einem besseren Verständnis."

Um eine andere Form von Schmerz, nämlich den Schmerz einer Trennung, geht es in dem Beziehungsdrama "Die Nacht singt ihre Lieder". Für den Kritiker und Mitherausgeber einer dieser Tage erscheinenden Karmakar-Monographie Olaf Möller ist dieses minimalistische Kammerspiel "ein vollkommener Film".

Karmakars letzter Langfilm aus dem Jahr 2009 heißt "Villalobos", benannt nach dem in der Techno-Weltstadt Berlin lebenden Musiker Ricardo Villalobos, stellt den dritten Teil einer Filmtrilogie dar, die sich dem Clubleben und der elektronischen Musik widmet. Karmakars Eigensinn, das wird auch am Beispiel seiner Musikfilme in Antimusikvideo-Ästhetik klar, besteht vor allem in seiner analytischen Beharrlichkeit. Er macht Filme ohne Hast, die sich in ihren Gegenstand zu versenken trachten: "Emotion ist, wenn zum ersten Mal ein Schweißtropfen die Schläfe hinunter rinnt."

Service

Hör-Tipp
Diagonal, Samstag, 6. März 2010, 17:05 Uhr

Mehr dazu in oe1.ORF.at

Buchtipp
Olaf Möller; Michael Omasta, "Romuald Karmakar", Filmmuseum Synema Publikationen 13

Veranstaltungs-Tipps
Diagonale - Festival des österreichischen Films, 16. bis 21. März 2010, zu Gast: Romuald Karmakar

Werkschau Romuald Karmakar, 20. März bis 7. April 2010, Wiener Filmmuseum

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