Musik für eine bessere Welt

Legendäres Prä-Techno-Projekt

Eric Mattson vom Montrealer Label Oral Records hat es sich zum Ziel gesetzt, alle Veröffentlichungen von Konrad Beckers legendärem Prä-Techno-Projekt Monoton nochmals herauszubringen. Fünf an der Zahl sind es bereits.

"Fire" aus dem Albumt "Monotonprodukt 07"

Er glaube noch immer an die Revolution, vielleicht sei das ja auch der Franzose in ihm, so Eric Mattson. Schon immer wollte Mattson, dass experimentelle Musik massenhaft unters Volk gebracht wird, denn dann, erklärt er in seinem so wunderbar unbeirrbaren Idealismus, wäre die Welt wohl eine bessere.

Hier spricht einer, der nicht einfach nur große Reden schwingt, sondern einer der seit vielen Jahren ein ausgewiesener Kenner, ein treuer Liebender und ein verlässlicher Unterstützer und Förderer experimenteller Musik ist, dafür wird Eric Mattson weit über die Grenzen seiner kanadischen Wahlheimat Quebec hinaus geschätzt.

Wider dem Vergessen

Viel zu schnell gerät selbst die jüngste Musik- und Kunstgeschichte in Vergessenheit, merkt Eric Mattson kritisch an, weshalb ein wesentlicher Teil seiner Arbeit in Geschichtsaufarbeitung bestehen würde. Diese betreibt Mattson sowohl mit seinem Label Oral Records, als auch in von ihm initiierten Konzertveranstaltungen und Klangkunstausstellungen. Besondere Aufmerksamkeit richtete der so vielseitig Umtriebige in den letzten Jahren auf die Arbeit von Monoton.

A record that set the world on fire

1998 reihte das renommierte englische Musikmagazin "The Wire" das Album "Monotonprodukt 07" von Monoton, Konrad Beckers legendärem Prä-Techno-Projekt, in jene folgenschweren hundert Platten, "that", so der Originalton, "set the world on fire". Im Falle von "Monotonprodukt 07" war das 1982. Hört man Eric Mattsons Geschichte hinter der Idee, alles jemals Erschienene von Monoton nochmals neu aufzulegen, wirkt diese Wortwahl auch gar nicht zu drastisch.

"Das ist eine lange Geschichte, aber eine wichtige", so Mattson. "Vor langer Zeit damals in den 1980er Jahren ist ein Freund von mir aus - glaube ich - Prag nach Montreal mit einer Platte zurückgekommen, die bei mir eingeschlagen hat wie eine Bombe. Das war genau die Musik, nach der ich schon so lange gesucht hatte. Um es abzukürzen: Jahre später habe ich Konrad Becker dann bei einem Medienkunstfestival in Chicago getroffen und herausgefunden, dass er der Mann hinter Monoton ist. Wir haben uns unterhalten und nach einiger Zeit meinte Konrad, dass er vielleicht zu Hause noch irgendwo ein Exemplar besagter Platte habe. Einige Wochen später kam sie dann mit der Post, das "Monotonprodukt 07", so war der Titel dieser von mir so hochgeschätzten schwarzen Scheibe. Und ich hatte die Idee, die Musik darauf auf CD wiederzuveröffentlichen, sie neuerlich zugänglich zu machen."

Völlig anders klingende Musik

Was aber hat den Oral Records-Labelchef an dieser Musik so gefesselt? Konrad Becker hätte in den 1980er Jahren Maschinen wie etwa den Amiga auf eine Art und Weise benutzt, wie niemand zuvor, vor allem in dieser frühen Schaffensphase: "Später ging es dann mehr in Richtung Techno, aber in dieser Periode, in den späten 1970er und frühen 1980er Jahren hat Konrad Becker wirklich eine ganz eigene Mischung aus allen möglichen Genres geschaffen, mit minimaler Hardware. Diese Musik war etwas völlig Neues, das ganz anders klang. Er war wirklich ein Pionier."
Und nachdem es Eric Mattson wunderbar versteht, mit seiner Begeisterung anzustecken, beschließe ich dem Ganzen nun auf den Grund zu gehen, und lade - von Montreal, wo ich Mattson getroffen haben, nach Wien zurückgekehrt - Konrad Becker zu einem Interview ein, der an das soeben Gesagte dann auch nahtlos anfügt.

"Das war natürlich schon ein bisschen ein eklektizistisches Projekt", sagt Becker. "Mein Interesse und meine Leidenschaft für das Arbeiten mit Knöpfen, Tasten und elektronischen Geräten hat sich schon sehr früh gebildet und hat bis heute nicht aufgehört. Ich hab da auch so ein bisschen eine Zwischenposition. Zu den akademischen Formen der Musikproduktion und Komposition und dem in Österreich gefeierten Virtuosentum habe ich ein sehr distanziertes Verhältnis, andererseits sehe ich mich auch sicher nicht in der Popkultur verortet. Es gab da ein sehr breites Spektrum von Einflüssen, mich hat etwa auch schamanistische Musik inspiriert."

Im Zeichen des Dub

Wenn man rückblickend die Geschichte der elektronischen Musik betrachtet, dann würden in den Stücken auf den ersten beiden Platten von Monoton viele Musikspielformen anklingen, die sich später als Genres herausgebildet haben, schwärmt Eric Mattson: "Die Stücke auf der Platte 'Blau' sind für mich Dub Music. Die Musik von Deadbeat beispielsweise knüpft hier direkt an. Wenn wir etwa plötzlich die Geschichte der elektronischen Musik niederschreiben sollten, dann müsste diese Platte darin als ein Präludium gewürdigt werden, für viele der futuristischen Musiken von heute, oder von vor ein paar Jahren."

Dub Music hätte ihn zu der Zeit auch tatsächlich sehr fasziniert, ergänzt Konrad Becker: "Gerade diese mehr spacigeren und abgedrehteren Dub-Experimente, die es in Jamaika und später dann auch in London gab. Ich hab damals sehr viel Zeit in England verbracht. In London haben sich diese Szenen sehr organisch durchgemischt. Der Reggea, die Avantgarde-Elektronik, der Punk - das hat sich sehr gut miteinander vertragen."

Einem technologischen Quantensprung auf der Spur

Und Konrad Becker erzählt von seinen alten Musikmaschinen, die nie vollständig unter Kontrolle zu kriegen waren, die - miteinander verschaltet - einen Art Organismus bildeten, der immer wieder mit eigenständigen Reaktionen überraschte. Beim Hören seiner Musik aus den späten 1970er und frühen 1980er Jahren würde natürlich auch ihn heute eine gewisse Nostalgie überkommen. Man dürfe aber nicht vergessen, dass eben diese Maschinen damals noch ganz neu und State of the Art waren. Und schon damals hätte er sich präzisere Instrumente gewünscht, weshalb Konrad Becker dann auch etwa damit begann, mit Mikrocomputern seine eigene Musikerzeugungs-Software zu schreiben.

"Wenn man sich jetzt diese vier CD-Veröffentlichungen anschaut, dann sieht man eine unglaubliche Spanne von noch uralten, analogen, mehr oder weniger handgetriggerten Elektrogeräten bis zum Schluss dann relativ komplex programmierten digitalen Computerkompositionen", erläutert Becker. Und dieser technologische Quantensprung zwischen den frühen und den späten 1980er Jahren ist auch deutlich zu hören.

Jenseits des Rock-Paradigmas

In den späten 1970er und frühen 1980er Jahren hat sich der "elektronische Sound" dann immer mehr durchgesetzt, fährt Becker fort, wobei dieser anfangs noch weitgehend dem Rock-Paradigma verpflichtet war.

Er jedoch hätte gegen jede Form von Rockismus immer schon eine starke Aversion gehabt: "Vielleicht setzt sich Monoton auch deswegen ein bisschen ab. Elektronische Musik jenseits des Rock-Paradigmas war ein Feld, das damals nicht so bearbeitet wurde, und natürlich hab ich mich sehr heimelig gefühlt, wie ich dann gesehen habe, dass plötzlich ganz spannende, interessante Musik entlang dieser Entwicklungslinien entsteht. Und ich bin auch gleich ein begeisterter Fan dieser Entwicklung geworden!" Das alles macht große Lust, demnächst einmal mit Konrad Becker auf Zeit-Ton Zeit-Reise zu gehen.

Hör-Tipp
Zeit-Ton, Donnerstag, 4. und Donnerstag, 11. März 2010, 23:03 Uhr

Links
Oral Records
Oral Records - Monoton