Die Finanzkrise und ihre Mythen

Gegen die falschen Lehren aus dem großen Crash

Zu Beginn der Wirtschaftskrise schien der Neoliberalismus in der Defensive. Doch mittlerweile haben sich seine Apologeten erholt und verteidigen ihre Lehren. Das Buch "Mythen der Krise" nimmt die kursierenden Mythen über Krisenursachen unter die Lupe.

Die Wirtschaftskrise hat gängige wirtschaftliche Lehren in Erklärungsnotstand gebracht. Es wurde deutlich, dass Deregulierung und Privatisierung alleine nicht in den allgemeinen Wohlstand führen. Ein neues Buch entlarvt nun jene Mythen, die neoliberale Denker in Umlauf bringen, um alles beim alten zu belassen.

Seit 2007 dominiert die Wirtschaftskrise die Schlagzeilen. Es herrscht jedoch wenig Einigkeit über die Ursachen und Gegenmaßnahmen. Weit davon entfernt, einen "heilsamen Schock" darzustellen, der eine notwendige Abkehr von bisherigen Kapitalmarkt-Pfaden deutlich macht, sind die Wege aus der Krise und die Nennung der Schuldigen heftig umkämpfte Themen. Denn es steht viel auf dem Spiel: Es geht um Grundsätze des Wirtschaftens, um Macht, Geld, Einfluss und um intellektuelle Hegemonie.

Argumente unter der Lupe

Das Buch "Mythen der Krise" von BEIGEWUM ("Beirat für gesellschafts-, wirtschafts- und umweltpolitische Alternativen") und der globalisierungskritischen Organisation Attac liefert einen kritischen Beitrag zur Diskussion über Ursachen und Bewältigungsstrategien. In 18 Kapiteln werden gängige Argumentationsmuster auf ihre Plausibilität abgeklopft und mit einer Gegenargumentation versehen.

Vor allem in den Krisenzentren war spätestens seit dem Konkurs der Investmentbank Lehman Brothers der Schreck groß, und die Exponenten marktliberalen Gedankenguts wurden öffentlich gebrandmarkt. Alan Greenspan, Josef Ackermann und andere wurden von Leitfiguren zu schwarzen Schafen. Politiker/innen, die teilweise Mitverantwortung trugen, schafften es dennoch, sich als machtvolle Demonstranten politischer Handlungsfähigkeit zu inszenieren.

Regulierung zur Stabilisierung?

Ein Paradigmenwechsel stand im Raum. Keynes wurde häufig beschworen, die G-20, das Gremium der 20 größten Volkswirtschaften der Welt, verabschiedeten einen Plan zur internationalen Re-Regulierung der Finanzmärkte. Sie waren jedoch wenig weitreichend und stellen den Versuch dar, den Marktkapitalismus stabiler zu machen. Selbst von diesen "weichen" Maßnahmen wurde bislang wenig umgesetzt, es besteht die Gefahr, dass mit einer Entspannung auf den Finanzmärkten die Reformen im Sand verlaufen.

Feministische Ansätze haben zum Verständnis der Krise beigetragen. Während in den Massenmedien die Geschlechterkomponente biologistisch als "Testosteronüberschuss", der angeblich für den Boom der Krise verantwortlich ist, gedacht werden kann, haben feministische Autorinnen die Ausbreitung des Finanzwesens im Alltag als Verkörperung patriarchaler Weltbilder analysiert.

Andererseits wird heute versucht, den Spieß der Krise umzudrehen und nicht die Schuldigen zur Kasse zu bitten, sondern neue sozialstaatliche Einschnitte durchzusetzen. Wirtschaftspolitisch wird betont, dass zur Stabilisierung der Staatsfinanzen eine Senkung der Sozialausgaben notwendig sei.

Diese Behauptungen werden im Buch angeführt und ihr Mythencharakter dargelegt. Heute bestehen neben dem wiederbelebten Keynesianismus auch andere Kritikansätze am Neoliberalen Modell, die die Krise nutzen, um ihre Ideen zu verbreiten. Dazu zählen moralische Verurteilungen der Gier, Verschwörungstheorien oder die Kritik am Zinssystem. Doch nicht alles, was sich als Kritik am Neoliberalismus versteht, ist mit emanzipatorischer Kritik vereinbar.

Mehr zum Thema Wirtschaftskrise in oe1.ORF.at
"Business Class": Geldwert oder Geldschein
Rückbau des Sozialstaates statt Finanzreform?
Wirtschaftskrise verschärft Minderheitensituation

Hör-Tipp
Journal-Panorama, Donnerstag, 18. März 2010, 18:25 Uhr

Buch-Tipp
BEIGEWUM und Attac Österreich (Hrsg.), "Mythen der Krise. Einsprüche gegen falsche Lehren aus dem großen Crash", VSA Verlag

Links
BEIGEWUM
Attac Österreich