Recht und Unrecht - Teil 3

Recht und Ökonomie

Ist die Frage nach der sozialen Gerechtigkeit wirklich Teil der politischen Debatte? Soll die Dynamik des Arbeitsmarktes tatsächlich per Gesetz geregelt werden? Garantieren die Gesetze soziale Gerechtigkeit? Oder: ist diese Politik gescheitert?

Die westeuropäischen Sozialstaaten, die nach dem 2. Weltkrieg geschaffen wurden, hatten die soziale Gerechtigkeit zum politischen Thema gemacht. Ob in Österreich oder Deutschland, ob in Frankreich oder in Großbritannien: die Verantwortlichen hatten erkannt, dass die Weltwirtschaftskrise in den 1930er Jahren zur politischen Destabilisierung geführt hatte.

Soziales Elend war eines der Ursachen für den Krieg. Und da waren sich die Politiker in der Mitte des 20. Jahrhunderts einig: das sollte nicht wiederholt werden.

Politik wird Opfer neoliberalen Denkens

In den 1980er Jahren des 20. Jahrhunderts gewann die neoliberale Politik immer mehr an Einfluss. Ihre Leitlinien sind Wachstumssteigerung und Profitorientierung. Staatliche Regulierungen hingegen sind verpönt. Das Thema der sozialen Gerechtigkeit wird an den Rand gedrängt.

Forderungen nach Arbeitsplatzsicherung oder gleicher Lohn für gleiche Arbeit entsprechen nicht mehr dem Denken neoliberaler Politiker. Die Politik fällt den Forderungen des freien Marktes zum Opfer. Und das führt, so der Soziologe Günter Dux von der Universität Freiburg, zur sozialen Ungerechtigkeit.

"Das System der Marktgesellschaft integriert nicht alle in das ökonomische System. Manche sind schlecht integriert, manche gar nicht. Und es ist die Aufgabe der Politik dafür zu sorgen, dass soziale Gerechtigkeit in das ökonomische System reklamiert wird. Das politische System muss im Widerstreit zum ökonomischen System sein, sonst passiert das, was die Ökonomie vorgibt."

Viele Maßnahmen, die soziale Ungerechtigkeiten beseitigen sollen, sind als Empfehlungen verfasst. Ihre Umsetzung ist damit auf den guten Willen einzelner angewiesen. Ihre Wirksamkeit ist gering. Sind strukturelle Veränderungen heute noch ein Anliegen? Ist der Sozialstaat gescheitert?

Recht auf Partizipation an der Gesellschaft

Um die immer größere Zahl der ausgegrenzten Menschen wieder zu integrieren, muss der Sozialstaat anspruchsvoller definiert werden, sagt Günter Dux. Sie müssen ihr Recht, an der Gesellschaft teilzunehmen, auch verwirklichen können.

Menschen, die es sich nicht leisten können, von den kulturellen und den Bildungseinrichtungen einer Gesellschaft zu profitieren, die weder den Zugang zum Internet besitzen noch die Mitgliedschaft in einem Sportverein bezahlen können, die nicht einmal in der Lage sind, sich einen Fahrschein für ein öffentliches Verkehrsmittel zu kaufen, diese Menschen können ihre Leben auch nicht zufriedenstellend gestalten.

Die Diskussion um eine Grund oder Mindestsicherung habe jedoch nur dann Sinn, sagt Günter Dux, wenn es den Menschen möglich ist, an den Errungenschaften der Gesellschaft zu partizipieren.

Heute stehen sich in der Marktgesellschaft unterschiedliche Machtsysteme gegenüber, die um den politischen Einfluss ringen. Ausgetragen wird dieser Konflikt nicht zuletzt über die Gesetze.

Mehr Einfluss für die Volksanwaltschaft

Eine Institution, die in Österreich die Interessen aller Bürgerinnen und Bürger vertritt und ihre Rechte zur Geltung bringen möchte, ist die österreichische Volksanwaltschaft. Und hier haben die Volksanwälte festgestellt, dass die Politik am Beginn dieses Jahrtausends die Rechte vieler Bürgerinnen und Bürger tatsächlich eingeschränkt hat.

Denn durch die Privatisierung von staatlichen Unternehmen wie Bahn, Post, Asfinag, der Bundesimmobilienverwaltung oder den Bundesforsten wurden diese Unternehmen der öffentlichen Kontrolle entzogen, sagt die Volksanwältin Terezija Stoisits.

Gerechtigkeit kann in einem Land aber nur dann gewährleistet sein, wenn die Bürgerinnen und Bürger auch die Chance haben, ihre Rechte durchzusetzen, wenn sie Gehör finden und ihre Interessen vertreten werden. Darum fordern die Volksanwälte wieder mehr gesetzlich festgelegten Einfluss.

Terezija Stoisits: "Die Forderung von allen Volksanwälten ist, dass überall dort, wo der Rechnungshof Kontrolle ausübt, auch die Volksanwaltschaft wieder Prüfkontrolle haben soll."

Radiokolleg zum Mitreden

Wenn Sie über das Thema der Serie "Recht oder Unrecht" mitdiskutieren möchten, dann haben am 25. März dazu Gelegenheit: Live beim "Radiokolleg zum Mitreden", ab 19:30 Uhr im ORF Kulturcafé. Margarethe Engelhardt - Krajanek, die Gestalterin dieser Reihe, wird moderieren.
Oder sie diskutieren über Twitter: der Hashtag lautet: #rkmitreden. Der Livestream aus dem RadioKulturhaus ist am 25. März 2010 ab 19:30 Uhr aktiv.

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Hör-Tipp
Radiokolleg, Montag, 22. März bis Donnerstag, 25. März 2010, 9:05 Uhr

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