Das aktuelle Programm "39,2°"

Fiebermonolog von Andreas Vitasek

Vitasek hat wieder einmal was zugesagt. Er soll beim Internationalen Drogenkongress einen zum Thema passenden Kurzauftritt absolvieren. Der Termin rückt immer näher und keine Idee für eine Nummer ist in Sicht. Und Fieber hat er auch noch. 39,2 Grad.

Versuchen Sie sich vorzustellen, Ihr Leben im Rückwärtsgang vorgeführt zu bekommen. Wüsste man nicht sehr viel mehr über die eigene Bindungsfähigkeit, würde man eine Ehe mit der Scheidung beginnen? Oder: Welchen Einfluss hätte es auf den Brotkonsum zum Gruß aus der Küche, würde man ein ausgedehntes Mahl mit der Nachspeise beginnen?

Wichtige Irritation

Andreas Vitasek stellt zu Beginn seines aktuellen Soloabends die Welt kurzfristig auf den Kopf. Und das hat nichts mit den 39,2 Grad Fieber zu tun, die er zu haben glaubt, sondern vielmehr mit der Experimentierlaune des Kabarettisten. Also verabschiedet er sein Publikum an der Stelle, wo er es eigentlich begrüßen sollte. Aber Vitasek dankt für einen schönen Abend und wünscht sicheres Nach-Hause-kommen:

"Den Abend mit dem Ende des Programms zu beginnen ist eine reizvolle Idee, deswegen wird sie in Filmen und Romanen auch immer wieder verwendet", meint Vitasek. "Man fragt sich dann nicht mehr, wie eine Geschichte wohl ausgehen wird, sondern konzentriert sich auf das Wesentliche, auf die Mechanismen, wie etwas funktioniert. Es ist aber gleichzeitig auch ein Kunstgriff, der mir gestattet, einmal nicht mit 'Guten Abend, meine Damen und Herren' zu beginnen. Ich bin sicher nicht der Erste, der das macht, aber es erzeugt eine gewisse Irritation und die ist wichtig, um die ungeteilte Aufmerksamkeit des Publikums sofort zu erhalten."

Andi allein zu Haus

Ein Telefonat holt Vitaseks Protagonisten wieder in das geordnete Bühnenleben zurück. Der Stoffhase der kleinen Tochter ist in der Wohnung geblieben, während der Rest der Familie zum "wellnessen" aufgebrochen ist. Alle, bis auf den Hasen und den Kabarettisten. Letzterer blieb allerdings freiwillig zu Hause. Er muss den Text für einen nahenden Auftritt verfassen. Und schreiben in einer Wellness-Oase passt für Andreas Vitasek nicht ins Bild des gequälten Kreativen. Da ist er Traditionalist: Wer schreiben muss, der muss auch leiden. Dieser Wunsch soll ihm ganz schnell erfüllt werden - und zwar in Form einer Fieberattacke:

"Der Ausgangspunkt meiner Geschichte ist simpel: Ich bin allein zu Haus, meine Familie schont mich durch ihre Abwesenheit und ich werde zuerst einmal krank. Eihgentlich hätte ich das Programm 'Andi allein zu Haus' nennen können, würde man diesen Titel nicht mit einem Film assoziieren. Ich habe den Ehrgeiz entwickelt, ein Stück daraus zu machen, einen Fiebermonolog", erklärt Vitasek. "Der Monolog unterscheidet sich von der Conference, dass eine vierte Wand eingezogen ist. Bei der Conference redet einer auf der Bühne mit dem Publikum. Bei einem Monolog steht einer auf der Bühne und redet mit sich selbst. Einen Monolog hält man aber nicht länger als maximal eine Stunde durch. Dann macht einem schon das Publikum darauf aufmerksam, dass es auch da ist. Also habe ich mich für eine Mischform entschieden."

Der Griff in den Tablettenschrank

Apropos aushalten: Was Andreas Vitaseks Bühnenfigur nicht aushalten möchte, das sind schlechte Befindlichkeit und Schmerzen. Also kramt er in dem von seiner Frau sortierten Medikamentenkistchen - auf der Suche nach Linderung seiner Fieberattacken. Dabei fördert er nicht nur unterschiedliche Tablettenpackungen zutage, sondern es steigen auch unterschiedlichste Erinnerungen in ihm auf. Zum Beispiel, als er im Zuge seiner segensreichen Tätigkeit als Sanitäter beim Bundesheer die Wirkung einer Tollkirsche ausprobiete. Oder als er aus dem Fundus seines verstorbenen Vaters eine Rohypnol-Tablette testete.

"Medikamente spielen im Leben vieler moderner Menschen eine große Rolle", sagt Vitasek. "Man lernt schon als Kind von den Eltern: Wer Schmerzen hat, Kopfschmerzen zum Beispiel, kann sie mit den richtigen Pulvern beseitigen. Medikamente und alles, was dem Menschen hilft, die Realität nicht ganz so real zu erfahren - das zieht sich durch mein Programm wie ein roter Faden. Nicht ohne Grund beginnt ja der Abend damit, dass ich eine Nummer schreiben muss für das Rahmenprogramm eines Seminars für Suchtverhalten. Das ist das Grundthema, jede Nummer hat in gewisser Weise auch mit Drogen zu tun."

Fast wie im richtigen Leben

In seinem Fiebermonolog präsentiert Andreas Vitasek eine Bühnenfigur, die aus ihrem Alltag erzählt. Es sind Geschichten, die uns allen und auch ihm passieren hätten können, Geschichten voll Ironie und Lebensklugheit, Geschichten des Scheiterns, der Melancholie und der Selbstironie.

Andreas Vitasek hat sich in seinem Fiebermonolog endgültig vom Rollenspiel befreit und erscheint als großer Erzähler. Seine Referenz an die Kleinkunst bleiben regelmäßig gesetzte Theatersequenzen, die dem Abend Rhythmus und Kraft verleihen. Und das Fieber - ja das scheint im Laufe des Abends der Kraft des Darstellers gewichen zu sein.