Die Herrin der Breitenseer Lichtspiele

"Als wäre ich im Kino geboren"

Bis zu ihrer Pensionierung als AHS-Lehrerin hat Anna Nitsch-Fitz die Breitenseer Lichtspiele - das älteste noch bespielte Kino in Wien und Österreich - nur nebenbei betrieben. Seit 43 Jahren kümmert sich die inzwischen 72-Jährige um ihr Kino.

Flyer für den "General"

Bereits als Kind hat Anna Nitsch-Fitz ihrer Großmutter in deren Kino im Wiener Vorort Nussdorf geholfen; sie hat Karten abgerissen und die Besucherinnen und Besucher mit der Taschenlampe zu ihren Sitzen geführt. Nach dem Tod der Großmutter führte Anna, die zu dieser Zeit Mathematik und Physik studierte, das Kino weiter. Doch 1967 verkaufte der Vater, von Beruf praktischer Arzt, das damals unrentable Kino - er wollte nicht sein erarbeitetes Geld für das Kino ausgeben.

Ganz im Gegensatz zu seiner Tochter. Anna Nitsch-Fitz machte sich nach einigen Monaten ohne Kino auf die Suche nach einem neuen. Das Geld für den Kinokauf hatte sie durch Nachhilfestunden mühsam zusammengekratzt und so konnte sie 1969 die Breitenseer Lichtspiele kaufen.

650 Vorstellungen im Jahr

Damals hatte das Kino noch Stammkunden, die fix zweimal pro Woche kamen, egal welcher Film gerade lief. Doch die alten Stammbesucher wurden immer weniger, Anna Nitsch-Fitz machte ihr Lehramtsstudium fertig und unterstützte mit ihrem Lehrerinnengehalt die Breitenseer Lichtspiele.

Gespielt werden 650 Vorstellungen im Jahr, auch wenn oft nur eine Handvoll Besucherinnen und Besucher im Saal sitzen. Aber dennoch wurde der Saal mit seinen 168 Plätzen vor einigen Jahren originalgetreu renoviert.

So gut besucht wie schon lange nicht

Zu Filmkonzerten kommen manchmal mehr Besucherinnen und Besucher - so war am Tag des "Menschenbilder"-Interviews beim Buster-Keaton-Film "Der General" mit Live-Klavierbegleitung durch Stefan Foidl das Kino so gut besucht wie schon lange nicht: mehr als 50 Besucherinnen und Besucher.

Für diesen Erfolg hatte Nitsch-Fitz eine besondere Gelegenheit ergriffen: Sie hatte am Tag davor bei einem Seniorenball Flyer verteilt. Zwischen privater Unterhaltung - wie zum Beispiel beim Ball - und ihrer Leidenschaft Kino kann und will sie nicht trennen. Dass aber auch das Finanzamt ihre Arbeit als "Liebhaberei" einstuft, macht die finanzielle Situation nicht besser.

Tränen bei "La Strada"

Einer von Anna Nitsch-Fitz' besonderen Lieblingsfilmen ist Federico Fellinis "La Strada", da kommen ihr bei manchen Szenen noch immer die Tränen, deshalb sieht sie da sicherheitshalber nicht zu genau hin, weil es ja wirklich nicht gut aussieht, wenn eine verheulte Kinobesitzerin die Karten verkauft.

Ein anderer ihrer Lieblingsfilme ist völlig anders geartet: "Liquid Sky" von Slava Tsukerman, und selbst dem "Texas Chainsaw Massacre" kann sie einiges abgewinnen.

In den Breitenseer Lichtspielen scheint die Zeit den Atem angehalten zu haben, und in der familiären Atmosphäre ist Anna Nitsch-Fitz die Königin ihres Reichs.

Ein Leben wie ein Film-Plot

Der Kulturverein B.S.L. wurde mit einigen Mitstreitern gegründet, um eine Besucherkontinuität zu schaffen. Doch dieser Verein funktioniert nur mäßig, gibt es doch zu wenige Mitglieder, und so bleibt nichts übrig, als die Pension zu Hilfe zu nehmen, um das Kino am Laufen zu halten. Anna Nitsch-Fitz richtet ihr Programmangebot möglichst vielfältig aus: von Science-Fiction über Technik-Dokumentarfilme bis zu Werner Herzog. Aktuelle Blockbuster kommen, schon aus finanziellen Gründen, für sie nicht in Frage.

Für Anna Nitsch-Fitz ist nur das Kino-Leben vorstellbar, da lässt sie sich auch nicht von gesundheitlichen Beschwerden abhalten. Nach einer Gehirnoperation ging sie möglichst bald wieder in ihr geliebtes Kino, und auch heutzutage müssen drei Tage Krankenstand genug sein, wenn sie die Grippe heimgesucht hat. Eigentlich ist Anna Nitsch-Fitz' Leben eine Filmhandlung - mit einem wohldefinierten Spielort: den Breitenseer Lichtspielen, in der Breitenseer Straße 21, im 14. Wiener Bezirk.