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Die Spaltung des Gehirns

Über die Wissenschaft vom Simultundolmetschen

Simultandolmetschen ist eine höchst komplizierte Denkleistung. Ein gehörter Text muss, noch bevor man ihn in einer Sprache - der Ausgangssprache - vollständig versteht, bereits in einer Fremdsprache - der Zielsprache - artikuliert werden.

Beim Simultandolmetschen ist vieles zu erahnen und kurzfristig zu speichern, um es dann in kürzester Zeit in einer Fremdsprache zu formulieren. Gleichzeitig damit muss aber der weiter einfließende Text mitgehört, verstanden und ebenfalls gespeichert, in die Fremdsprache übersetzt und auf die inhaltliche und grammatische Korrektheit der Zielsprache hin überprüft werden.

Was geht im Kopf eines Dolmetschers vor sich?

"Es geht also offensichtlich viel mehr in der Kabine vor sich während des Dolmetschens, als aus dem Mund des Dolmetschers herauskommt. Da werden Entscheidungsstrategien abgewogen. Da wird gesagt: 'Ja, da hab ich kurz überlegt, ob ich das sagen soll und dann hab ich mich daran erinnert: So soll ich es nicht sagen und da hab ich schnell zu was anderem gegriffen'", sagt die Dolmetscherin Sylvia Kalina.

Der Faktor Stress

Dolmetscher sind zweifellos erhöhtem Stress ausgesetzt. Er entsteht dadurch, dass sie ständig unter Zeitdruck arbeiten, aus einem Gefühl der Hilflosigkeit heraus, dass aus dem Bewußtsein die Situation nicht unter Kontrolle zu haben - da sie das Redetempo ja nicht vorgeben können - resultiert.

Sie müssen aber im Stande sein, sich unter Stress zu verbessern oder zumindest keine Leistung ab zu bauen. Bei subjektivem Stress hilft allein die Routine.

Verstärkte Kooperation zwischen den Hirnregionen?

Dazu ein Vergleich: Eine Staatengemeinschaft beschließt, gewisse Bereiche gemeinsam zu verwalten. Je komplexer diese Bereiche sind, je weitreichender ihre Funktionen, desto mehr und intensiver wird ihre Zusammenarbeit sein müssen. Genauso verhält es sich im Gehirn beim Dolmetschen.

Diese äußerst komplexen Denkvorgänge erfordern einen hohen Grad an funktionellen Verknüpfungen bzw. eine verstärkte Kooperation zwischen den Hirnregionen in beiden Gehirnhälften. Die Denkleistung beim Dolmetschen im Allgemeinen und dem Simultandolmetschen im Besonderen könnte man laut dem Mediziner Hellmuth Petsche also z.B. mit dem Lösen schwieriger mathematischer Aufgaben oder dem Komponieren von Musikstücken vergleichen.

Bildgebende Techniken: PET

Mittels Positronen Emissions Tomogramm ist fest zu stellen, ob der Blutkreislauf während eines Denkvorganges in manchen Hirnregionen verstärkt ist oder nicht. Denn wenn die Neuronen mit der Lösung von Aufgaben beschäftigt sind, z.B. im Sprachsystem, dann benötigen sie dazu Sauerstoff.

Je schwieriger diese Aufgaben für eine Person sind, desto mehr Neurosubstrat wird benötigt. Deshalb werden bestimmte Regionen zwar mit mehr Blut versorgt aber der Blutdruck steigt trotzdem nicht an. Was passiert, ist bloss eine natürliche Erhöhung der Fließgeschwindigkeit des Blutes, welches zur jeweiligen Struktur fließt und die Neuronen mit dem notwendigen Sauerstoff versorgt meint die Medizinerin Daniela Perani.

Neue Ergebnisse

Eine der neuesten PET Untersuchungen zu diesem Thema wurde am Forschungsinstitut der britischen Hirnforscherin Cathy Price durchgeführt. Auch sie bestätigen in mancher Hinsicht die Erkenntnisse von Hellmuth Petsches EEG-Untersuchungen.

Ihre Tests bei Spätlernern, die erst mit neun Jahren die erste Fremdsprache erlernten, haben ebenfalls ergeben, dass während des Übersetzens von einer Sprache in eine andere auch Hirnregionen außerhalb der klassischen Sprachgebiete aktiviert werden. Konkret die Vorderhirnregion, sowie die unter der Gehirnrinde befindlichen Strukturen.

Cathy Price und ihre Kollegen schreiben dies dem Umstand zu, dass beim Übersetzen eine erhöhte Koordination der mentalen Vorgänge nötig sei. Dabei müßten die direkten Gehirnverbindungen zur Nennung von Worten zu Gunsten weit weniger automatisierter Kreisläufe eingeschränkt werden.