Goldene Nica
Yasunao Tone
29. September 2010, 00:35
Man'Yo Wounded 2001
Yasunao Tones mit der Goldenen Nica bedachtes Stück "Man'Yo Wounded 2001" ist eine der jüngsten Ausformungen seines Projekts "Musica Simulacra". Das Projekt selbst basiert auf einem Konzept der "Verklanglichung" von Bildern und Text, an dem er seit den 1970er-Jahren arbeitet. Sein Beitrag zu den Methoden, digitale Daten mithilfe der CD zu manipulieren, geht auf die Mitte der 80er-Jahre zurück.
Für die geplagten Ohren der Jury jedenfalls enthüllte die 2001er-Version seiner selektiven "Verwundungen" von CDs mithilfe eines gelochten Klebestreifens auf der Oberfläche hörbare Ergebnisse, die ebenso weit reichen wie jene einer beliebigen digitalen Signalbearbeitungs-Software, wie sie von der Desktop-Elite verwendet wird.
Textformen in pixelförmigen Klangfragmenten
Kern von Tones Arbeitsprozess ist die grundlegende Technik, das Abbild von Textformen in pixelförmige Klangfragmente umzuwandeln, die mit verschiedenen DSP-Methoden ausgebaut werden.
Tone erklärt seine Methode folgendermaßen: "Warum ich meine eigene Arbeit verwundet habe? Ein reproduzierendes Medium ist eine Technik zur Gravierung oder Stabilisierung von Klängen, die von Luftvibrationen erzeugt werden und die aus der Natur in ein Magnetband oder Plastik verschwinden, damit man das Werk nach Lust und Laune wiedergeben und hören kann. Das hat die Rezeption der Musik von den zeitlichen und räumlichen Beschränkungen des Konzertsaals emanzipiert. Aber die Aufzeichnung ist nicht gerade ein ideales Medium für Komponisten, die Werke einer Form schreiben, die ohne die Aufführung und ohne das Rezeptionserlebnis als aktiver Teil der Musik nicht vollständig sind."
Ferner Nachhall des Originals
Zur spezifischen Anwendung seiner Theorie auf seine aufgenommenen Werke sagt Yasunao: "Ich arbeite seit 1997 am CD-ROM-Projekt "Musica Simulacra". Dass ich jahrelang an einem Stück arbeite, liegt an seiner großen Länge und daran, dass ich das Klangwörterbuch, auf dem es aufbaut, ständig aktualisieren muss. Auch meine Performance nimmt diese Work-in-Progress-CD-ROM als Quelle. Das interaktive Programm erlaubt es dem Publikum, 4516 verschiedene Musikstücke auf der Scheibe auszuwählen, und ein jedes wird exakt aus einem der ebenso vielen Gedichte der japanischen Anthologie "Man'yoshu" in digitales Geräusch übertragen. Die Gedichte stammen aus dem 8. Jahrhundert und wurden in chinesischen Schriftzeichen geschrieben; es würde rund 3000 Stunden dauern, die CD in voller Länge abzuspielen. Das CD-ROM-Projekt verwendet die gleiche Methode, die ich für mein erstes Album "Musica Iconologos" verwendet habe. Da es sich dabei um ein einziges Stück handelt, gibt es keine Auswahl für den Zuhörer, deswegen habe ich, nachdem ich ein Stück aus "Musica Simulacra" auf CDR gebrannt hatte, diese Scheibe mit einem Stück Klebeband präpariert (also verwundet) - eine Methode, die ich seit 1985 verwende. Und dann führe ich die CD mit meinem Player aus dem Jahr 1984 auf Auf diese Weise wird das 'verwundete Man'yo'-Stück ein ferner Nachhall des Originals und gleichzeitig ein völlig neues Werk."