Der Kampf gegen den elektronischen Müll

Spam in der Mailbox

Wenn die Post genauso kostenlos arbeiten würde wie das E-Mail-System des Internets, dann sähe es in den Postkästen wohl ähnlich aus wie im E-Mail-Eingang: In dem ganzen Werbemüll wären die wichtigen Briefe gar nicht mehr zu erkennen.

Nahe liegend ist also die Idee, auch für den Versand von E-Mails eine Gebühr zu verlangen - die Flut der Spam-Mails würde drastisch eingedämmt. Jüngster prominenter Unterstützer dieser Idee ist Microsoft-Vorsitzender Bill Gates. Kritiker sehen aber die Offenheit des Internets und seinen demokratischen Charakter bedroht.

Elektronische Briefmarke

Wenn jede E-Mail einen Cent - oder auch weniger - kosten würde, dann würden das normale Nutzer, die ein paar Nachrichten am Tag verschicken, wohl kaum in ihrem Portemonnaie merken. Spammer, die wahllos Millionen E-Mails auf einen Schlag versenden, bekämen die finanzielle Belastung dagegen sofort zu spüren.

Die Idee einer Art Briefmarke wird schon seit Jahren diskutiert, Bill Gates griff sie zuletzt auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos auf. Ein Vorschlag von Microsoft sähe vor, dass man statt einen Cent zu bezahlen vielleicht zehn Sekunden der Rechenzeit seines Computers zur Verfügung stellt, zum Beispiel zur Lösung eines mathematischen Puzzles. Damit würde der Nutzer vor allem zeigen, dass er es "ernst meint" mit der E-Mail.

Neue Geschäftsfelder

Aber es gibt auch kommerzielle Ideen. Die Firma Goodmail ist zum Beispiel im Gespräch mit Yahoo und anderen E-Mail-Anbietern. Sie möchte von Werbe-Versendern einen Cent pro E-Mail kassieren, damit diese an den Filtern vorbeigeleitet und nicht als Junk (Müll) klassifiziert wird.

Wer nur gelegentlich E-Mails verschickt, würde ein Porto auf die elektronische Post vielleicht nicht bemerken. Es gibt aber auch Gruppen, die auf einem regen Austausch basieren, zum Beispiel Selbsthilfegruppen von Krebspatienten, die Tipps zum Umgang mit der Krankheit untereinander diskutieren. Da summieren sich die Cents ziemlich schnell. "Es hält die Menschen davon ab, ihre Meinung in einer größeren Gruppe von Leuten zu sagen", erklärt David Fetcher, der selbst eine Mailing-Liste mit 20.000 Abonnenten betreibt. "Damit ändert sich der ganze Charakter des Internets."

Goodmail-Chef Richard Gingras sieht hier die Möglichkeit, dass Privatnutzer eine gewisse Zahl an E-Mails kostenlos versenden können. Für große Organisationen oder auch Mailing-Listen könne es zudem Preisnachlässe geben. Aber ab wann ist eine Mailing-Liste zu groß oder gilt als kommerziell und soll daher keine Nachlässe bekommen, und wer entscheidet das? Vorstellungen darüber gibt es bei Goodmail noch nicht.

Probleme bleiben

Vint Cerf, einer der Väter des Internets, ist überzeugt, dass Spammer immer einen Weg finden werden, jede Form der kostenlosen Nutzung der E-Mail auszunutzen. "Ich bin immer wieder überrascht, wie erfindungsreich sie sind", sagt Cerf.

Auch stößt die Idee des Portos auf E-Mails schnell an regionale Grenzen. In einem Land kann vielleicht noch abgerechnet werden, aber was ist mit E-Mails aus dem Ausland? In Entwicklungsländern würde zudem selbst jeder einzelne Cent zu einer Belastung. Viele Menschen dort könnten dann gar keine E-Mails mehr verschicken. "Wir dürfen nicht nur an die halbe Milliarde Menschen denken, die heute E-Mail nutzen", sagt John Patrick, der früher bei IBM Vizepräsident für Internet-Technik war. "Da sind noch fünf bis sechs Milliarden, die das bald machen wollen."

Kein klassenloses Web

Einige Vorschläge zu diesem Thema sehen auch vor, dass jeder Empfänger selbst festlegen kann, wie viel er für eine E-Mail bezahlt haben will. Einem Studenten reicht dann vielleicht ein Cent, der Vorstandsmanager will einen Dollar bekommen. "Wenn in einem normalen Markt etwas so schnell und effizient ist, dass jeder es haben will, dann geht der Preis normalerweise in die Höhe", sagt Sonia Arrison vom Pazifik-Forschungsinstitut. Es sei eine Illusion zu glauben, dass das Internet Klassenunterschiede aufheben könne, die in der realen Welt existierten.

Grenzen der Bezahlung

Es dürfte aber schwer werden, die Menschen davon zu überzeugen, dass sie für etwas bezahlen sollen, was es bisher kostenlos gab. Kritiker des Bezahlsystems sehen in neuen Techniken wie einer besseren Bestätigung der Absenderadressen und rechtlichen Schritten gegen Spammer bessere Wege. "In den 90er Jahren gab es schon E-Mail-Systeme, die zehn Cent pro E-Mail verlangten", sagt John Levine, ein Anti-Spam-Aktivist. "Sie sind alle tot."

Fehlerhafte Filtersoftware

Die Filtersoftware hilft zwar die Flut der Spammer einzudämmen, doch ein gewisser Prozentsatz an erwünschten Nachrichten bleibt ebenfalls hängen. "Diese Fehlerquote können sich viele nicht leisten", so Max W. Mosing, Mitglied der Wissenschaftlichen Interessensgemeinschaft für Informationsrecht IT-LAW in Wien. "Es ist zwar nicht ausjudiziert, aber eigentlich dürften Rechtsanwälte keine Filtersoftware verwenden, denn jedes Anbot, ein Mandat zu übernehmen, muss beantwortet werden."

Legistische Maßnahmen

Juristische Abwehrmaßnahmen stellt in Österreich das Telekommunikationsgesetz bereit, das bis zur letzten Novelle im Jahr 2003 europaweit vorbildhaft war. Mit der neuen Regelung wurde das generelle Spam-Verbot aufgeweicht, kritisiert Max W. Mosing, der bereits einigen Spam-Opfern rechtlichen Beistand gewährte.

Nun wird zwischen den Bereichen Business-to-Business und Business-to-Consumer unterschieden. Werbemails, die sich an Unternehmer richten, sind gestattet, sofern der Empfänger die Möglichkeit hat, weitere Mails abzulehnen. Kunden, die ihre Kontaktadresse etwa im Zuge eines Einkaufs weitergeben, dürfen auch ohne vorherige Zustimmung mit Mails zur Direktwerbung für ähnliche Dienstleistungen, zumindest einmal, belästigt werden.

Damit steht das TKG 2003 in Widerspruch zur Europäischen Datenschutzrichtlinie über elektronische Kommunikation, die Direktwerbung via Mail oder SMS nur bei vorheriger Einwilligung des Empfängers erlaubt.

Da der Großteil des E-Mülls aber aus den USA oder aus anderen Nicht-EU-Staaten in unsere Mailboxen schwappt, sind der rechtlichen Verfolgung Grenzen gesetzt. "Den Schaden in puncto Arbeitszeit und Geld verursachen die Massen, aber meistens kann ich nicht mehr als eine oder zwei E-Mails zurückverfolgen", so Mosing. Trotzdem hält der junge Jurist ein Verbot jeglicher nicht angeforderter kommerzieller E-Mail für unabdingbar. "Auch an Fahrgeschwindigkeitsbeschränkungen hält sich kaum jemand, dennoch haben das die Leute im Kopf und fahren dann statt 50 km/h vielleicht 60 km/h aber keine hundert Stundenkilometer."

Hör-Tipps
Dimensionen, Donnerstag, 18. März 2004, 19:00 Uhr
Matrix, Sonntag, 21. März 22:30 Uhr

Links
EU-Anti-Spam-Richtlinie
Telekom-Gesetz 2003
IT-LAW