Überall gibt es Probleme

08. Gesundheitssysteme international

Bereits vor über 150 Jahren entstanden in Europa erste Sozialsysteme, die auch armen Menschen halfen, sich gegen Krankheit abzusichern. Armut und Krankheit nahmen im Zuge der Industrialisierung stark zu. Die ersten, die ein selbst verwaltetes Sozialversicherungen ins Leben riefen, waren die Bergarbeiter. Ein Teil ihrer Löhne wanderte in einen Topf, aus dem Not leidende Kumpel versorgt wurden. Es entstanden erste Sozialgesetze, wobei Spitäler anfangs meist von Orden geführt wurden.

Einen wesentlichen Anteil - sowohl an den Gesamtausgaben als auch am Ausgabenwachstum - nimmt der Krankenhaussektor ein. In den meisten europäischen Ländern bewegt sich der Anteil der Ausgaben für den stationären Sektor zwischen 35 und 40 Prozent der Gesamtausgaben für das Gesundheitswesen. International im Trend liegt die Abkehr von Vergütungen, bei denen angefallene Kosten abgegolten werden hin zu so genannten Fallpauschalsystemen (Diagnosis Related Groups, DRG-Systeme, in Österreich LKF-System), also leistungsorientierte Krankenhausfinanzierung.

In der industrialisierten Welt stehen die Gesundheitssysteme heute vor großen Problemen: ihnen fehlt es an Geld, die öffentliche Hand zieht sich sukzessive zurück. Privatisierung wird international als große Chance für das marode Gesundheitssystem gesehen.

USA
Ein starker Wettbewerb garantiert zwar nicht das beste, aber das teuerste Gesundheitssystem. Mit 15,3 Prozent des BIP haben die USA den höchsten Anteil an Gesundheitsausgaben (in Österreich 8 bis 10 Prozent), die Bevölkerung ist jedoch am unzufriedensten mit Leistungen und Versorgung. Immerhin sind 43 Millionen Amerikaner (15 Prozent der Bevölkerung) nicht krankenversichert, der Großteil (195 Millionen) haben aber private Krankenversicherungen über ihren Arbeitgeber über so genannte HMOs -Health Maintainance Organisations. Diese Versicherer bieten dem Unternehmen ein fixes Budget, um Arbeitnehmern bestimmte medizinische Leistungen zu ermöglichen. Meist hat ein Arbeitnehmer die Wahl aus drei HMOs. Über 80 Millionen US-Bürger sind Mitglieder einer solchen HMO, die größte darunter ist Kayser Permanent Health Plan. Das Risiko dabei: Ist der Job also weg, ist auch die Versicherung weg. Die Leistungen an die Versicherungen variieren auch mit der Bereitschaft des Arbeitsgebers mehr oder weniger zu zahlen. Eine andere Variante sind so genannte PPOs (Preferred Provider Organisations), bei denen Patienten aus vorgegebenen Listen Ärzte und Kliniken wählen können. Eine öffentliche Grundversorgung gibt es für eine bestimmte Bevölkerungsschicht (Medicaid/Arme und Madicare/Ältere, Behinderte). Die Kosten für das Gesundheitssystem werden weiter steigen (2007: 2100 Milliarden), müssen aber durchwegs von privaten Haushalten aufgebracht werden. Grund für Teuerung ist laut einer Studie der Universität Maine die aufwändige Verwaltung, die zwischen 19,3 und 42,1 Prozent der Gesamtkosten verschlingt.

Private Krankenhäuser in den USA
Zum Beispiel HCA (Hospital Corporation of America) besitzt 190 Krankenhäuser, 91 ambulante Behandlungszentren und machen rund 1,3 Milliarden Dollar Gewinn

Tenet: Besitzt 115 Akutkrankenhäuser, 116,000 Mitarbeiter und erzielt ein hohes Wachstum überwiegend durch Übernahmen am Akutsektor.

UHS (Universal Health Services) Besitzt 98 Kliniken mit 26.000 Mitarbeitern, setzt in punkto Wachstum auf die Akquisition kommunaler Krankenhäuser und den Ausbau der Dienstleistungsstruktur.

Großbritannien
England galt als Synonym für eines der marodesten Gesundheitssysteme, weil es massiv an Geld und Personal fehlte. Die Krankenhäuser waren zu klein und sanierungsbedürftig. Während in den USA der Großteil der Versorgung über Eigenvorsorge läuft, wurde in England das System zu über 85 Prozent vom Staat über das Budget finanziert und gesteuert (Instrument ist der 1948 gegründete National Health Service). Das Budget dafür bestand aus einem vom Parlament bestimmten Betrag, zirka 6,5 bis 7 Prozent des BIP. Fazit: Das war zu wenig, die Kapazitäten waren früh ausgeschöpft.

Während der Regierung Thatcher (1979-90) entstanden mehr marktwirtschaftliche Elemente. Die Gesundheitsreform unter Tony Blair (ab 1997) führte 2002 zu einer Erhöhung des Budgets. Dazu sollten private Investoren über PPP dringend nötige Infrastrukturinvestitionen vornehmen. Seit 1991 agieren Krankenhäuser als eigenständige non-profit-Organisationen außerhalb der Kontrolle der health authorities. Es gibt es in England beispielsweise 25 private Krankenversicherungs-Gesellschaften, davon 7 non-profit mit einem Marktanteil von 80 Prozent, weiters 8 kommerzielle und 230 private Krankenhäuser. Die fünf großen Gruppen haben einen Marktanteil von 65 Prozent der Betten.

Deutschland
Die Selbstbehalte steigen und die Anzahl von Privatisierungen nimmt von Reform zu Reform zu. Das Gesundheitssystem wird vom Bismarck-System getragen, das heißt Krankenkassen verwalten sich selbst, unterstehen aber der staatlichen Kontrolle. Eine Versicherung ist in Deutschland Pflicht. 1996 führte Kanzler Helmut Kohl eine Liberalisierung ein, wonach man zwischen den gesetzlichen Krankenkassen frei wählen kann oder sich - aber einem bestimmten Einkommen - wie Selbständige oder öffentlich Bedienstete selbst versichern kann. Die Gesundheitskosten betragen 10,7 Prozent des BIP. Liberalisierungsentwicklungen gibt es seit 1996 bei den Krankenhäusern. Entgelte wurden nicht mehr pro Spital, sondern auf Landesebene vereinbart. 2003 kam die Umstellung auf Fallpauschalen: für eine bestimmte Diagnose gab es einen bestimmten Betrag. Ergebnis: die Verluste der Krankenhäuser explodierten, die Basiskosten waren zu hoch.

Etwa 2000 öffentliche Spitäler gibt es in Deutschland, 500 stehen vor der Schließung. Weitere 500 sollen verkauft werden. In Deutschland stehen derzeit 47.000 Betten (9 Prozent) privater, 265.000 öffentlicher (54 Prozent) und 187.000 (37 Prozent) frei Gemeinnütziger zur Verfügung, das sind 6.4 Betten pro 1000 Einwohner. Darüber hinaus gibt es 180.000 private Betten für Rehabilitation und Prävention.

Voraussetzungen für die Entwicklung privater Träger am Beispiel Deutschland ist, dass die Betriebskostenfinanzierung voll über die GKV finanziert wird. Öffentliche Krankenhäuser waren defizitär und verfügten über zu geringe öffentliche Investitionsmittel.

Schweiz
Die Schweizer haben das zweitteuerste Gesundheitssystem der Welt, gemessen an ihren Gesundheitsausgaben (11 Prozent des BIP). Daher haben sie ein privates Versicherungssystem, das staatlich geregelt wird. Seit 1996 muss jeder Einwohner bei einer der rund 100 Krankenversicherungen gemeldet sein (Grundversicherung). Wer sich ausschließlich an die HMO (Health Maintainance Organisations) wendet, kann seine Beiträge senken. Die HMO sind Gesundheitseinrichtungen, die von Versicherungen getragen werden und über die Spitalsbesuche des Patienten entscheiden. Wem die Grundversicherung nicht ausreicht, der kann eine Zusatzversicherung abschließen. Das System sichert zwar eine gute Versorgung, wird aber rasant teurer, die Krankenversicherungsprämien steigen im Schnitt um 10 Prozent pro Jahr. Versicherungen bieten "Billig-Versicherungen" an, vor allem für junge, gesunde Menschen interessant und erhöhten den Druck auf die Krankenhäuser. Konservative drängen auf Privatisierung und Krankenhäuser sparen - auf Kosten der Patienten.

Gesundheitsausgaben ausgewählter Länder in % des BIP

USA15,3
CH11,5
D11,1
FRAU10,1
NL, Ö, BEL9,6
SWE9,4
UNG, IT8,4
SPAN7,7
CZ7,5
FIN7,4
SK5,9

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