Sinnvolle Maßnahme mit Schönheitsfehlern

09. Die Mammographie

Bis zum Jahre 2000 war der Stellenwert der Mammographie als Früherkennungsmaßnahme für Brustkrebs unumstritten. Die Idee dahinter: Je früher Brustkrebs erkannt wird, desto wahrscheinlicher die Heilungschancen. Einige große Studien untermauerten diesen Ansatz.
Dann erschütterten die Mathematiker Peter Gotsche und Ole Olsen vom Nordic Cochrane Center in Kopenhagen mit ihrer Analyse dieser Studien das Vertrauen in die Mammographie gründlich. Ihrer kritischen Betrachtung nach, waren nur zwei dieser Studien nicht verzerrt - und eben diese beiden Studien zeigten keinen Nutzen der Mammographie. Seitdem ist die Fachwelt gespalten.

Brustkrebs-Vorsorge?
Seit einigen Jahren gibt es zahlreiche und gut gemeinte Kampagnen zum Thema Brustkrebs. Kaum eine andere Erkrankung ist so stark, aber auch so angstbesetzt, im Bewusstsein vieler Frauen verankert.

Dabei wird mit den Begriffen "Vorsorge" und "Früherkennung" nicht immer sorgfältig umgegangen. Ein häufiger Irrglaube bei Frauen ist, dass die Teilnahme am Mammographie-Screening das Risiko an Brustkrebs zu erkranken vermindert. Natürlich kann aber eine Röntgenuntersuchung der Brust eine Krebserkrankung nicht verhindern, sondern bestenfalls früh darstellen.

Richtige Zahlen - falscher Eindruck
Die zahlreichen Aufklärungskampagnen, in denen "harte" Statistik-Daten transportiert werden, haben bei vielen Frauen ein verzerrtes Bild über Häufigkeit von Brustkrebs, dem Erkrankungsrisiko und dem Wert der Mammographie ergeben.

Die Darstellung, "Jede 9. Frau erkrankt im Laufe ihres Lebens an Brustkrebs", ist irreführend. Sie bezieht sich auf die Gesamtlebenszeitspanne und gilt nur für Frauen, die das 85. Lebensjahr überhaupt erreichen.

In der für Früherkennungsuntersuchungen wichtigen Altersgruppe zwischen 50 und 69 Jahren beträgt das Erkrankungsrisiko etwa 1:40. Das ist natürlich noch immer erschreckend hoch. Brustkrebs ist derzeit die häufigste Krebsdiagnose bei Frauen - das bestreitet niemand.
Von Frauen im Alter zwischen 30 bis 40 Jahren erkrankt etwa eine von 283 an Brustkrebs.

Die Mammographie als Screening-Methode
Hier scheiden sich die Geister. Besonders in Deutschland gibt es seit mehr als zehn Jahren eine heftige Debatte zu Vor- und Nachteilen der Mammographie und der Sinnhaftigkeit eines flächendeckenden Screenings. Dennoch wurde es eingeführt. In Österreich gibt es dieses Screening nicht.

Ein Mammographie-Screening-Programm zielt nicht darauf ab, individuell für eine Patientin auf Grund einer klinischen Fragestellung eine Diagnose zu erheben. Diese Screening-Maßnahme ist darauf angelegt, aus einem Kollektiv von Frauen durch regelmäßige Untersuchungen diejenigen herauszufinden, die von einer klinisch noch nicht erkennbaren, also zum Zeitpunkt der Untersuchung ohne Symptome verlaufenden Brustkrebserkrankung betroffen sind.

Bei Screening-Programmen - ebenso wie bei der gegenwärtigen Praxis der Brustkrebsfrüherkennung werden natürlich überwiegend gesunde Frauen untersucht.
Und das ist auch eines der grundlegenden Probleme der Mammographie als Reihenuntersuchungsmethode: Denn untersucht man alle Frauen ab 30 (wie das in Österreich mehr oder weniger der Fall ist), so haben zum Zeitpunkt der Untersuchung nur wenige Frauen Brustkrebs. Daher wirken sich die bei jeder Diagnosemethode vorhandenen Messfehler stark aus.

Wie viele Leben rettet die Brustkrebsfrüherkennung?
In diesem Zusammenhang wird meist mit der Aussage geworben: "Durch ein flächendeckendes Mammographie-Screening kann die Brustkrebssterblichkeit um 20 bis 30 Prozent gesenkt werden".

Dieser Wert gibt allerdings die relative und nicht die absolute Risiko-Verringerung an.

Zur Veranschaulichung: Von 1.000 Frauen sterben in zehn Jahren ohne Mammographie-Screening acht Frauen an Brustkrebs. Mit Screening würden im selben Zeitraum sechs von 1.000 Frauen an Brustkrebs sterben.

Sechs statt acht Frauen ergibt rechnerisch eine Senkung um 25 Prozent.

Allerdings: In absoluten Zahlen ausgedrückt, ist das weniger beeindruckend. Das persönliche Risiko einer Frau, die regelmäßig Mammographien durchführen lässt, verbessert sich um 0,2 Prozent (zwei von 1.000 Frauen profitieren von der Mammographie).

Achtung: Für Frauen, bei denen Brustkrebs familiär gehäuft vorkommt (z.B. bei Verwandten ersten Grades), sieht die Statistik etwas anders aus: Etwa 16 von 1.000 Frauen aus dieser Risikogruppe sterben ohne Mammographie-Screening innerhalb von zehn Jahren an Brustkrebs. Dem gegenüber stehen zwölf von 1.000 Frauen, die mit Screening an Brustkrebs versterben. Also vier von 1.000 Frauen mit einem familiär erhöhten Risiko profitieren rechnerisch von der Früherkennung.

Fakten, die Sie für eine Entscheidung benötigen
Um eine für sich informierte Entscheidung treffen zu können, ist es notwendig die positiven und die möglicherweise negativen Folgen einer Untersuchung zu kennen:

  • Von 1.000 Frauen, die erstmals an einem Mammographie-Screening teilnehmen, erhalten ca. 70 einen verdächtigen Befund.
  • Von den 70 Frauen mit verdächtigem Befund haben statistisch betrachtet sieben Brustkrebs, 63 haben keinen Brustkrebs, sondern einen falsch positiven Befund.
Auf einen gefundenen Brustkrebs kommen im Screening fast zehn falsch positive Befunde. Das ist für die einzelne Frau von hoher Bedeutung, denn das bedeutet mit anderen Worten: Nur etwa jede zehnte Frau, die einen auffälligen Mammographiebefund in Händen hält, ist auch wirklich an Brustkrebs erkrankt. Vor allem auf diesen Punkt sollten Frauen vor einer Mammographieuntersuchung hingewiesen werden. Ein auffälliger Mammographie-Befund bedeutet nur in etwa zehn Prozent der Fälle, dass Brustkrebs vorliegt.

Was Sie auch noch wissen sollten: Wenn eine Frau zehn Mammographien durchführen lässt, beträgt die Wahrscheinlichkeit fast 50 Prozent, dass einer dieser zehn Befunde falsch-positiv ist.

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