von Marianne Sula
Lord Byron oder …
Eigentlich liest sich Byrons Biografie fast wie eine einzige, fortwährende Orgie. Doch neben seinen Affären und Exzessen verfasste er seine literarischen Werke, hatte einen Sitz im "House of Lords" inne und unternahm ausgedehnte Reisen.
8. April 2017, 21:58
Besonderes Talent zum Unglücklichsein
Marianne Sula porträtiert in ihrem neuen Stück, "Lord Byron oder die metaphysische Unmöglichkeit des Glücks", das reichlich bewegte Leben des britischen Dichters George Gordon Noel Byron, 6. Baron Byron of Rochdale, besser bekannt unter dem Namen Lord Byron. Sula, die auch hier wieder ihre Vorliebe für extravagante Themen und Persönlichkeiten unter Beweis stellt, lässt die todkranke Tochter Byrons, Ada Lovelace, gemeinsam mit dem späteren Staatsmann John Cam Hobhouse, dem Freund des Dichters, auf den Spuren des Dichters wandeln.
Ein breiter Blickwinkel
Ein besonders interessanter Aspekt dieser Produktion ist, dass Ada Lovelace hier einen recht breiten Blickwinkel auf ihren Vater, den sie im realen Leben übrigens niemals kennen lernte, den sie jedoch immer als solchen betrachtete und schätzte, wirft. Und immerhin gilt Lovelace, eine sehr bekannte Mathematikerin, durch ihre Abhandlungen zum geplanten Bau der mechanischen Rechenmaschine Analytical Engine als erste Programmiererin.
Eigentlich liest sich Byrons Biografie fast wie eine einzige, fortwährende Orgie. Begonnen mit Byrons Stammsitz, der Abtei von Newstead in der Nähe von Manchester, wo er versuchte, die entsprechende Abgeschlossenheit vom Rest der Welt zu finden, sich selbst zu genügen, wo er aber auch mit seinen Trinkkumpanen Exzesse feierte und seine ersten Verse verfasste.
Beziehungen und Reisen
Neben seiner schriftstellerischen Tätigkeit hatte er auch kraft seines Titels einen Sitz im "House of Lords" inne - und er war, zunächst noch freiwillig, ein Reisender. 1809 unternahm er etwa eine ausgedehnte Reise auf das Festland, die ihn über Lissabon, Spanien, Malta, Albanien und Griechenland bis an die Küste Kleinasiens führte.
Wieder zurückgekehrt, begann er zunächst eine Affäre mit der verheirateten Lady Caroline Lamb, bevor er sich dann einer inzestuösen Beziehung zu seiner Halbschwester Augusta hingab. Dieser Verbindung entstammte auch eine von Byrons Töchtern. Auf Grund des gesellschaftlichen Drucks, der ihn durch diese Verbindung mehr und mehr isolierte, ging er eine Verlobung und eine Heirat ein, mit einer Frau, die er nicht liebte, der aber seine Tochter Ada entstammte.
Freunde und literarischer Einfluss
Nach der Trennung dieser Beziehung und dem folgenden öffentlichen Eklat zog der Dichter schließlich an den Genfer See, wo er mit Mary Shelley ("Frankenstein") und ihrem Mann Percy lebte. Nach einem erneuten Umzug nach Italien und einer weiteren Affäre mit einer verheirateten Frau engagierte er sich schließlich in Griechenland, wo er das Kommando über die griechischen Streitkräfte erhielt und wo er im Alter von 36 Jahren starb. Dort entstanden auch die beiden letzten Teile seines "Don Juan", Cantos 6 - 14 und Cantos15 - 16.
Neben seinem bewegten Leben galt Lord Byron auch als Dichter, der viele seiner Zeitgenossen nachhaltig beeinflusste. Darunter finden sich prominente Namen wie Goethe, Edgar Allan Poe, Heinrich Heine oder Alexander Puschkin, der mit der Übernahme des "Byronschen Helden" zur Schaffung des "überflüssigen Menschen" in der russischen Literatur beitrug.
Zur Autorin
Die in Wien geborene Marianne Sula studierte hier Germanistik, Theaterwissenschaft und Philosophie. Sie arbeitete als freie Journalistin unter anderem für die "Arbeiter Zeitung", den ORF-Hörfunk, "Kurier" und "Standard". Sula ist Mitglied der Grazer Autorenvereinigung und arbeitet als Universitätslektorin.
Als Autorin erschienen von ihr neben mehreren Hörspielen (zuletzt "Bildnis einer Infantin") diverse Beiträge in Anthologien sowie der Roman "Orangen und Chorgitter" (1993) und der Band "Wintermeridian. Lyrik und Erzählungen" (1988).
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