von Friederike Mayröcker

Gärten, Schnäbel, ein Mirakel ...

Friederike Mayröcker flaniert in ihrem Monolog durch einen Park poetischer Fragmente, Bilder aus der Vergangenheit und neue Assoziationen bauen sich in diesem sprachlichen Park auf, manchmal wirken sie fast wie bewegte Faune.

"...es waren aber Sanduhren..."

"Gärten, Schnäbel, ein Mirakel, ein Monolog, ein Hörspiel", so der gesamte Titel dieser Produktion, ist die neueste Radioarbeit der Grande Dame der österreichischen Literatur, Friederike Mayröcker, die mit ihrem langjährigen Lebensgefährten Ernst Jandl Ende der 1960er Jahre das Hörspiel revolutionierte. Ein heute noch als Maßstab für viele Produzenten geltendes Beispiel ist die wegweisende, 1969 mit dem "Hörspielpreis der Kriegsblinden" - der bedeutendsten Auszeichnung für Autoren deutschsprachiger Hörspiele - ausgezeichnete Produktion "Fünf Mann Menschen". So verwendeten die beiden für die damalige Zeit völlig unbekannte Aufnahmetechniken, und auch ihre Textgestaltung brach mit bis dahin eingefahrenen Formen.

Begegnungen

Friederike Mayröcker, Jahrgang 1924, flaniert in diesem Monolog, der im Sommer 2008 entstand, durch einen Park poetischer Fragmente, alte - neue Bilder aus der Vergangenheit tauchen wieder auf, neue Assoziationen entstehen, bauen sich in diesem sprachlichen Park auf, manchmal wirken sie fast wie bewegte Faune. Es sind Selbstzitate, Bilder, die an dieser Spaziergängerin vorbeiziehen, es ist die Zeit und die Unvergänglichkeit, die diesen Text dominieren. Bilder, die das Altern in Würde dokumentieren, Bilder, die ein Leben erzählen und darüber hinaus gehen. Namen, Begegnungen blitzen in diesen Miniaturen auf.

Sehr ergreifend liest Friederike Mayröcker ihren poetischen Text, der stimmig in der Inszenierung eines ihrer langjährigen Wegbegleiter, Klaus Schöning, hier vorgelegt wurde. Immerhin hat das Gespann Mayröcker - Schöning bereits zuvor mehr als ein halbes Dutzend Hörspielarbeiten umgesetzt.

Gesprochene Poesie

"Schlafe auf Nervenzettel", sagt die Dichterin, "ganz dünner durchsichtiger durchlöcherter Schlaf." - "Mein Gang ist unsicher, ich werde schwächer ... es ist zu spät, der Sommer verhaucht". - "Ich habe keine Inspiration, sage ich zu meinem Arzt". Doch die Ärztin tröstet: "Schreiben", sagt sie "werden Sie länger können als lesen". Und diese Worte lebensfroh in sich aufnehmend, geradezu heiter, reflektiert die Dichterin ihre physische Existenz, huschen vergangene Sommertage vorbei, vor ihrem geistigen Auge, und nicht zuletzt am aufmerksamen Hörer. In den Wolken, die während dieses Flanierens im Garten des Lebens über den Himmel ziehen, hängen alte Bekannte - und natürlich ist ER immer präsent, wie eh und je: ER, Ernst Jandl, Mayröckers Lebensmensch.

An fünf heißen Sommertagen fand sich die Dichterin in einem Studio des Wiener Funkhauses ein, um ihren Text selbst ins Mikrofon zu sprechen, ein fast ungeheurer Dienst an ihrem Text, an dem vorliegenden Projekt, das selbst zu realisieren ihr ein so großes Anliegen war. Entstanden ist ein beeindruckendes, für den horchenden und die Poesie genießenden Hörer berührendes, zutiefst persönliches Werk.

Leben in Bildern

Geboren wurde Elfriede Mayröcker in Wien. Ihre ersten literarischen Arbeiten schuf sie bereits als 15-Jährige. 1946 gab sie ihr literarisches Debüt in der Zeitschrift "Plan", die, im Oktober 1945 gegründet, als ein Sammelpool für die nach dem 2. Weltkrieg neu entstehende österreichische Literatur- und Kunstszene galt. Zwischen 1946 und 1969 arbeitete sie als Englischlehrerin an diversen Wiener Hauptschulen und legte 1950 ihre Externistenmatura ab. 1969 ließ sich Mayröcker dann karenzieren und 1977 frühpensionieren.

Mayröcker gilt als eine der bedeutendsten zeitgenössischen österreichischen Lyrikerinnen. Neben ihren Arbeiten als Lyrikerin und Prosaautorin gelten ihre Hörspiele, die sie zum Teil gemeinsam mit ihrem Lebensgefährten Ernst Jandl verfasste, als eines der Herzstücke ihres Werkes. Zu ihrer Arbeitsweise sagte die Dichterin einmal:

Ich lebe in Bildern. Ich sehe alles in Bildern, meine ganze Vergangenheit, Erinnerungen sind Bilder. Ich mache die Bilder zu Sprache, indem ich ganz hineinsteige in das Bild. Ich steige solange hinein, bis es Sprache wird.

Hör-Tipp
Hörspiel-Studio, Dienstag. 9. Dezember 2008, 21:01 Uhr

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