Ein Porträt. Ein Versuch.

Jörg Jannings

Der Schauspieler Emil Jannings, der Maler Alberto Giacometti und der Autor und Regisseur George Tabori sind jene drei Künstler, deren Einflüsse der Hörspielregisseur Jörg Jannings als seine wichtigsten bezeichnet.

Stefan Zweig beschreibt in "Sinn und Schönheit der Autographen" die Begegnung mit einer achtzigjährigen Frau, der Tochter von Goethes Leibarzt Dr. Vogel. Diese wurde 1830 von Ottilie von Goethe im Beisein des Meisters aus der Taufe gehoben.

Zweig ist fasziniert und gerührt, dass es im Jahre 1910 noch einen Menschen gab, "auf dem Goethes heiliger Blick geruht", und er reflektiert über die Bedeutung jener Frau, deren Existenz die "olympische Welt" mit dem "zufälligen Vorstadthaus” in der Kochgasse in Wien verband. "Für sie" schreibt Zweig, seien "die Dinge Wahrheit, die uns Vorzeit und Legende geworden".

Der Onkel Emil Jannings

Jörg Jannings, geboren im Jahre 1930, traf in seiner Jugend ebenso auf Menschen, die uns Figuren aus einer anderen Zeit sind. Immer wieder einmal riss er von zu Hause aus und flüchtete zu seinem Onkel. Der war berühmt, hatte an der Seite von Marlene Dietrich im "Blauen Engel" gespielt und dafür den Oscar erhalten. Im Haus am Wolfgangsee begegnete er nun unter anderem Franz Werfel, Carl Zuckmayer, Werner Krauss und Franz Theodor Csokor. Die Erinnerung an diese "großen Toten" wirkte sich später auf seine Arbeit aus.

Wenn man als Kind diese Leute wahrnimmt ohne sie zu verstehen, wuchert das einfach weiter. Und irgendwann kommt es zurück und kommt zurück als Frage. Und das wird im besten Falle der Rohstoff, den man in seine Arbeit tun kann.

Giacometti

Als weiteren Einfluss auf sein Schaffen nennt Jannings die Werke des Malers Alberto Giacometti. Dieser hatte einmal geschrieben: "Das alles bedeutet nicht viel - die ganze Malerei, die Skulptur, das Zeichnen, Schreiben - oder vielmehr die Literatur, das alles hat seinen Ort und mehr nicht - der Versuch ist alles." Und so sieht Jannings sein gesamtes Schaffen als einen Versuch - ebenso wie sein Leben.

Mit jeder neuen Auseinandersetzung mit einem Stück müsse man wieder von vorn beginnen. In Anlehnung an Brecht sagt Jannings: "Du musst immer wieder von Null anfangen, dann ist es gut - weil die Dinge sich ändern. Wenn man etwas festschreibt, festsetzt, dann fault es mit der Zeit." Die Perfektion sei Stagnation - das Scheitern ein wichtiger Bestandteil der Arbeit, denn mit dem Scheitern beginne wieder ein neuer Versuch.

Tabori

Diese Einsicht verband ihn mit George Tabori, den Jannings als den dritten großen Einfluss in seinem Leben bezeichnet. Sie lernten sich 1978 kennen. Eine fruchtbare Zusammenarbeit begann, in welcher 15 Hörspiele entstanden. Jannings war von Tabori fasziniert, weil "er immer neue Spielformen und Arbeitsmethoden erfunden hat". Auch nach der Premiere arbeitete Tabori mit den Schauspielern weiter am Stück. "Die Arbeit", sagt Jannings, "ist ein Prozess, der niemals aufhört."

In ihrer gemeinsamen Arbeit war der Körper des Schauspielers ein wichtiges Element. Der Schauspieler vor dem Mikrophon höre eben nicht beim Kehlkopf auf, sondern "man spricht ja mit dem ganzen Körper. Man hört auch mit dem ganzen Körper - mit der Haut." Der Schauspieler ist für Jörg Jannings das wichtigste. Die Technik müsse sich ihm unterordnen: nicht der Schauspieler müsse zum Mikrophon kommen, sondern umgekehrt.

Suchen - versuchen

Jannings Arbeit beginnt immer mit einer großen Neugierde. "Wenn ich ins Studio komme, probiere ich einfach aus. Ich lerne die Menschen kennen - viele kenne ich natürlich - und lasse sie einfach machen und spielen und sorge dafür, dass die Umgebung schön ist, dass eine gute Stimmung ist, dass man zum Beispiel lachen kann. Und dann ergibt sich sehr viel." Aus der Anstrengung heraus entstehe selten Gutes, viel eher müsse man sich wohl fühlen, um etwas leisten zu können.

Im Mittelpunkt seiner Arbeit steht für ihn der Mensch, und das ist auch der Grund, warum Hörspielregisseur für ihn noch immer der schönste Beruf ist, den er sich denken kann, "weil er mit der Phantasie und dem Menschen zu tun hat und mit den Möglichkeiten, die ein Mensch hat - kreativ zu sein und neugierig zu sein - und etwas zu entdecken und zu artikulieren."