H. M. Enzensbergers "Requiem für eine romantische Frau"

Dichtung ist eine Sache, das Leben eine andere

Die bewegte Beziehung zwischen der 16-jährigen Auguste Bußmann und dem Dichter Clemens Brentano: Ihre Ehe, die Skandale und die Trennung bis hin zu Augustes Tod wurde von Enzensberger durch Briefe rekonstruiert. Von ungebrochener Aktualität.

Sie war jung, sie war schön und sie war ungestüm. Und sie spielte eine nicht unerhebliche Rolle im Leben des Dichters Clemens Brentano, einem der Hauptvertreter der Deutschen Romantik. Die Rede ist von Auguste Bußmann, Nichte und Ziehkind des Bankiers Simon Moritz von Bethmann, einem der damals reichsten Männer Europas.

Wir schreiben das Jahr 1807. Auguste ist 16 Jahre alt und verliebt sich unsterblich in den um 12 Jahre älteren Clemens. Der Dichter erliegt dem stürmischen Werben der jungen Schönheit aus gutem Haus und stolpert in die extremste Liebesgeschichte seines Lebens. Das Mädchen habe sich ihm "mit erschrecklicher Gewalt" an den Hals geworfen, wie Brentano später schreibt. Nach einer dramatischen Flucht, von der jungen Auguste in überspannter Manier inszeniert, heiraten die beiden im Dom zu Fritzlar.

Eine einzige Provokation

Was dann folgt ist ein Ehekrieg, der beinahe von der ersten Stunde an ebenso exaltiert verläuft wie alles vor dieser überstürzten Eheschließung. Der schon zu Lebzeiten prominente romantische Dichter, berühmt unter anderem für den exzentrischen Gefühlsüberschwang, den er in seiner Dichtung zelebriert, erträgt das überschwängliche Gebaren seines jungen Eheweibes nicht. Das Verhalten seiner Auguste, ja ihr ganzes Sein ist für Clemens Brentano eine einzige Provokation!

Von der unzüchtigen Kleidung bis zum unhäuslichen und unweiblichen Verhalten reichen die Vorwürfe. Der große romantische Dichter, der wortreich die Liebe außerhalb bürgerlicher Konventionen besingt, entpuppt sich in diesem Konflikt als engherziger Spießer. Als einer, der ein angepasstes Weibchen am Herd zur Frau wünscht, und der sich philisterhaft über jedes verrutschte Brusttuch aufregt. Nach einem Beziehungskampf bis aufs letzte Messer, der auch die familiären Umgebungen beider Streithähne arg in Mitleidenschaft zieht, trennen sich die beiden schon bald wieder.

Unangepasst, romantisch, emotional

Die Ehe wird aber erst 1814 auch formell geschieden, nach langen und schwierigen Interventionen beider Familien. Eine Scheidung war zu dieser Zeit überhaupt nur möglich aufgrund des großen politischen Einflusses von Augustes Ziehvater Moritz Bethmann. Aber Auguste erholt sich auch nach der Trennung von Clemens Brentano nicht. Zu unangepasst ist ihr Wesen, zu viel an emotionalem Engagement fordert sie von ihrer Umgebung. Sie heiratet noch einmal, bringt vier Kinder zur Welt, die sie alle vier abgöttisch liebt, und ertränkt sich 1932 nach einem Streit mit ihrem Ehemann im Main. Auguste Bußmann wurde nur 39 Jahre alt.

Der deutsche Autor Hans Magnus Enzensberger hat diese Geschichte aufgrund der vielen Briefe der Dichterrunde um Brentano und dessen Schwester, der romantischen Dichterin Bettina vom Arnim, rekonstruiert. Enzensberger, der mit einer Arbeit über Brentanos Poetik promoviert hatte, wollte der wahren Romantikerin Auguste Bußmann, dieser furchtlosen und in allen ihren Lebensäußerungen sehr extremen Frau, ein möglichst authentisches Denkmal setzen.

Enzensbergers dokumentarische Briefcollage erschien 1988 in der Friedenauer Presse. Das Hörspiel folgt diesem Buch, und lässt uns an einem Drama teilhaben, das sich auch unter geänderten historischen Bedingungen heute noch genauso abspielen könnte. Denn es ist eine überaus konfliktreiche Geschichte von männlichen Normierungswünschen, von weiblichem Aufbegehren, sowie von fatalen kulturellen Missverständnissen zwischen den Geschlechtern!

Service

Hans Magnus Enzensberger, "Requiem für eine romantische Frau. Die Geschichte von Auguste Bußmann und Clemens Brentano", Suhrkamp Verlag