Schatzjagd im Internet

07. Hörspiel im Netz

Konrad Zobel, Übersetzer und Bearbeiter zahlreicher Hörspiele von Russell Graves, begann nach Lektoren- und Kritikertätigkeit 1975 als Kulturredakteur beim ORF, leitete von 1987 bis 2006 das Ressort Literatur & Hörspiel in Ö1. Er erinnert sich an die Anfänge der Anfragen und ihrer Beantwortung:

Meine erhoffte Auskunft betrifft das interessante Hörspiel vom vergangenen Samstag. Leider konnte ich weder die ganze Aufnahme noch den Titel oder sonstige Angaben zum Hörspiel verfolgen, da ich mich am Ende auf der Autobahn im Grazer Bergland befand.

Anfragen wie diese konnte die Hörspielredaktion natürlich schon immer sozusagen aus dem Stand beantworten. Schon schwieriger waren die Antworten, wenn das Hörereignis lange zurück lag, oder etwa Doktoranden oder Diplomanden alle Hörspielrollen von bestimmten Schauspielern wissen wollten, oder wie viele Hörspielproduktionen der ORF vom Norddeutschen Rundfunk übernommen hat. Die Neugier unserer Hörerinnen und Hörer schien manchmal grenzenlos.

Ein Blick zurück

Als ich vor 25 Jahren die Hörspielredaktion des Wiener Landesstudios und danach jene der Hörfunkdirektion übernahm, waren die einschlägigen Recherchen vor allem mit Staubschlucken verbunden: Immerhin, wenn man die nötige Geduld hatte, lieferten die zerbröselnden Dateikarten in den hölzernen Zettelkästen manchmal doch die gewünschte Information. Häufig waren auch lange Telefonate mit den Kolleginnen und Kollegen in den Landesstudios nötig, um das Gesuchte zu finden.

Sofern es eben noch vorhanden war, denn der Umstand, dass das Radio ein flüchtiges Medium ist, schien oft auch für die begleitenden Materialien zu gelten. Im Zuge von Übersiedlungen, aus Platzmangel oder Ignoranz verschwand so mancher wichtiger Ordner. Gelegentlich sollen auch ganze Kisten mit Unterlagen verschwunden und verschollen sein.

Detektivarbeit und Datenerfassung

Um diesen Peinlichkeiten ein für alle Mal zu entkommen, wagte ich mich Ende der 1980er Jahre an das Projekt, die einschlägigen Daten aller Hörspielsendungen in Österreich seit 1945 so genau wie möglich zu erfassen. Leicht gesagt, schwer getan. Sekretariate wurden zu regelrechten Detekteien, mein Kollege Bernhard Herrman pilgerte zu alten Programmzeitschriften in die Nationalbibliothek, ich stöberte in den Privatarchiven längst pensionierter Ex-Kollegen, gewann Einblick in die Archive anderer Rundfunkstationen, entwickelte mit Hilfe unserer Technik geeignete Computerformulare, und war vor allem den vielen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern dankbar, die sich neben ihrer eigentlichen Tagesarbeit zwischendurch immer auch dem steten Wachstum dieser Datenbank widmeten.

1996 war dann ein erster Gipfel erreicht. Rund 12.500 Sendungen waren damals zumindest per Autor, Titel, Sendedatum und Produzent auf Basis des Dateiprogramms ACCESS auf einer Computerdiskette erfasst, die tatsächlich unter der Hörerschaft regen Absatz fand. Für Interessenten ohne Computer gab es um als "wohlfeil" angebotene 350 Schilling auf 550 Seiten Listen, in welchen alle Sendungen alphabetisch nach Autor und chronologisch nach Sendedatum gereiht waren.

Informationsquelle für Hörer/innen

In den Folgejahren wurde das Material bis in alle erreichbaren Details ergänzt, vor allem aber nach einem Weg gesucht, die Informationen allen Interessierten endlich auch online zugänglich zu machen. Ein Treffen mit Dr. Herbert Arlt vom "Institut zur Erforschung und Förderung regionaler und transnationaler Kulturprozesse" brachte den ersehnten und im ORF selbst damals noch nicht durchsetzbaren Umschwung. Er stellte im Jahr 2000 den Server seines Institutes zur Verfügung und die Homepage "http://www.hoerspiele.co.at" war geboren. Mit der unermüdlichen technischen Unterstützung von Ute Widerin-Szojak entwickelte sich diese Website bald zu einer allmonatlich von Zehntausenden genutzten Informationsquelle.

2008, zwei Jahre nach meiner Pensionierung, erscheint die Hörspieldatenbank, ein in dieser Form einzigartiger kultureller Fußabdruck der Zweiten Republik, in neuem Gewande. Nach eineinhalb Jahren aufwändiger und komplizierter Projektarbeit versammelt nun die neue Hörspielwebsite von Ö1 annähernd 14.000 Datensätze.

Übrigens: Das erste Hörspiel nach dem Krieg, falls irgendjemand danach fragen wollte, wurde am 3. August 1945 ausgestrahlt. "Steirische Hundstage", von Gerda Ortens. Hören können wir es leider nicht mehr. Das Band ist, wie es so schön heißt, "nicht erhalten".