Nur kein Extremismus!

Halbzeit für Simone Youngs "Ring"

Ein neuer "Ring des Nibelungen" auf CD: Er kommt von der Hamburgischen Staatsoper, wird dirigiert von Simone Young und setzt zum größten Teil auf Hamburger Ensemblemitglieder. Nach "Rheingold" und "Walküre": eine Halbzeitbilanz.

Neues aus Hamburg

Geht das heute noch, ein kompletter "Ring des Nibelungen" nur zum Hören? Vor kurzem kam vom "Grünen Hügel" der CD-Mitschnitt der "Ring"-Tetralogie aus der laufenden Bayreuther Produktion in der wenig geliebten Inszenierung von Tankred Dorst: Er hat den Namen des Dirigenten Christian Thielemann als Lockmittel. Die viel beachtete "Ring"-Show, mit der unlängst das Palau de les Arts in Valencia gepunktet hat, mit dem vom Regie-Kollektiv La Fura dels Baus veranstalteten bunt-spektakulären Maschinentheater, wartet dagegen auf DVD-Käufer.

Auch die Hamburgische Staatsoper vermarktet ihre momentan noch unvollständige Einstudierung von Richard Wagners monumentalem Vier-Abende-Drama via Regie: Claus Guth, der (beängstigend) Vielbeschäftigte, der bei den Salzburger Festspielen drei Sommer lang mit seiner Neubeleuchtung von Mozarts da-Ponte-Opern für Gesprächsstoff gesorgt hat, ist am Werk; man hält bei "Siegfried", im Herbst 2010 folgt mit der "Götterdämmerung" das Schlussstück.

Das CD-Label OEHMS Classics hat das Risiko unternommen, eine Audio-Gesamtedition von diesem "Ring des Nibelungen" anzukündigen, noch ehe der Grad des Gelingens absehbar war. Einstweilen liegen von ihr die (am Schnittpult "nachpolierten") Mitschnitte von "Rheingold" und "Walküre" vor, dirigiert von der Hamburger Opern-Intendantin und -Generalmusikdirektorin Simone Young.

"Walkürenritt"

Elastisch, wohltönend, geschmeidig

Im Lebenslauf der australischen Musikerin sticht die Phase als Assistentin von Daniel Barenboim an der Berliner Lindenoper und bei den Bayreuther Festspielen Anfang der 1990er Jahre hervor, bereits mit "Ring"-Erfahrungen. Simone Youngs eigenes "Ring des Nibelungen"-Dirigat kommt nun als Absage an Barenboims eruptiven, aus dem Impuls des Augenblicks gespeisten Wagner-Stil mit seinem Furtwängler-haft dunklen Orchesterklang: Selbst der Sturm, der die Geschehnisse der "Walküre" in Gang bringt, weht gepflegt, der "Walkürenritt" wird von den Philharmonikern Hamburg (der neue Name für das frühere "Philharmonische Staatsorchester") mehr elastisch als bombastisch intoniert (und mit dem gewissen "Ungefähr" einer Live-Aufführung).

So abgetönt, rund, geschmeidig Simone Young das Orchester musizieren lässt, die Kunst der Übergänge auskostend und in stets gemessenen Tempi, so kantabel wird gesungen: Selbst Hunding (Mikhail Petrenko) darf nicht poltern, und einen stimmlich derart souveränen, "schön" phrasierenden Siegmund wie Stuart Skelton (bloß das Timbre glänzt nicht) hätte man sich in Bayreuth in den letzten Jahren gewünscht. Allzu früh an ihre Grenzen kommt hingegen die bewährte Yvonne Naef als Sieglinde: So kann der erste "Walküren"-Aufzug nicht ganz abheben. Stärkster Einwand hier: Oft wirkt es, als würden Vokalisen gesungen - und das bei Wagner, wo jedes Wort vor Bedeutung strotzt!

Falk Struckmann in "Die Walküre"

Sänger-Jugendwahn? Nicht in Hamburg!

Die alten Recken am Besetzungszettel packen anders zu: Für die Brünnhilde kam bei den Aufführungen 2008 nochmals Deborah Polaski zum Zug, und als Wotan ist Falk Struckmann der Wortdeutlichste Aller. Man erlebt manchen Vibrato-satten Ton und die gewohnt stählern hervorgellenden Acuti bei ihr - kein Wunder, nach vielen Jahren Wagner-Karriere! -, Momente routiniert-markigen Über-Drucks bei ihm, aber wenn die Aufführung, von Simone Young mit großer Übersicht dorthin gesteuert, in Wotans Abschied ihren emotionalen Höhepunkt erreicht, tritt derlei in den Hintergrund.

Die Walküren und auch die Sängerin der Fricka (Jeanne Piland) sind übrigens sämtlich Ensemblemitglieder der Hamburgischen Staatsoper. Dass sich der personenreiche "Ring"-"Vorabend" "Das Rheingold" ebenfalls vollends aus dem Hamburger Haus-Ensemble besetzen lässt, ist zweifellos imponierend. Dennoch hätten bei diesem Werk ein paar sängerische Glanzlichter (Loge, Freia, Froh...) nicht geschadet. Eindrucksvoll der Alberich von Wolfgang Koch.

Stuart Skelton in "Die Walküre"

Noble Lesart

Die insgesamt wohlklingende, noble Lesart von Richard Wagners Partituren mag sich angenehm von Überhitzungs-Orgien abheben, wie sie Egomanen am Dirigentenpult lieben, und auch der Wagner-Entschlackungs-Fraktion gehört Simone Young nicht an.

Ob diese Einspielung, ist sie erst einmal vollendet, am darniederliegenden CD-Markt einen leichten Stand haben wird? Warten wir auf "Siegfried" und seinen Titelrollen-Interpreten Christian Franz!

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