Sind Netzsperren ineffizient?

Was tun gegen Kinderpornografie im Internet?

Cecilia Malmström, EU-Kommissarin für Inneres, hat Ende März 2010 einen Entwurf für eine EU-Richtlinie vorgelegt, in der unter anderem Netzsperren gegen Kinderpornografie-Websites gefordert sind. Die Provider und Bürgerrechtsgruppen sind dagegen.

In den vergangenen zwei Jahren wurde in Deutschland eine heftige Diskussion über die Sperre von Kinderpornografie-Websites geführt. Die einen meinten, dass sei ein wichtiger Schritt zum Schutz vor Kindesmissbrauch, die anderen fürchteten, dass damit der Zensur von anderen Internet-Inhalten Tür und Tor geöffnet werden könnte. Die damalige Familienministerin Ursula von der Leyen, die die Sperre massiv verteidigte, erhielt von Bürgerrechtsgruppen sogar den Namen "Zensursula".

Im Juni 2009 wurde das "Zugangserschwerungsgesetz" in Deutschland beschlossen, per Erlass wird es aber nicht exekutiert, denn mittlerweile mag die Regierung ihr eigenes Gesetz nicht mehr.

Doch das Thema ist noch nicht vom Tisch: Ende März veröffentlichte Cecilia Malmström, EU-Kommissarin für Innenpolitik, den Entwurf einer Richtlinie zur Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs von Kindern, in dem die Sperre von Websites mit Kinderpornografie wieder auftaucht. Und schon hat man ihr den Namen "Censilia" verpasst.

Für Andreas Wildberger, Generalsekretär der Internet Service Providers Austria (ISPA), wirkt der Passus über die Netzsperre im Entwurf der EU-Richtlinie schwammig und politisch hilflos. Netzsperren seien nicht dazu geeignet, Kindesmissbrauch zu verhindern und könnten von Pädokriminellen leicht umgangen werden. Sie würden aber eine Infrastruktur schaffen, die potentiell zur Zensur von diversen unerwünschten Inhalten im Internet geeignet wäre.

Vorwand für Zensur?

In Schweden, wo Netzsperren gegen Kinderpornografie seit längerem existieren, landete zum Beispiel der BitTorrent-Tracker The Pirate Bay auf der Sperrliste und es wurde vermutet, dass das eher im Interesse der Musik- und Filmindustrie geschah, die The Pirate Bay bekämpfen wollte.

Auch in anderen Ländern seien auf Sperrlisten, die an die Öffentlichkeit gelangt waren, viele Websites inkludiert gewesen, die nichts mit Kinderpornografie zu tun hatten, aber den Behörden aus verschiedenen anderen Gründen ein Dorn im Auge gewesen seien, so Andreas Wildberger.

In Deutschland waren vor dem Beschluss des Zugangserschwerungsgesetzes von verschiedenen Seiten Wünsche geäußert worden, was noch alles gesperrt werden könnte: Websites mit rechtsradikalen Inhalten oder Gewalt, Websites mit Glücksspielen oder mit Urheberrechtsverletzungen.

Selten öffentlich im Web

Kinderpornografie ist der dokumentierte sexuelle Missbrauch von Kindern. Üblicherweise sind das Fotos oder Videos von sexuellen Handlungen an und von vorpubertären Kindern mit Erwachsenen, untereinander oder an sich selbst, sexuell explizite Posenfotos und Großaufnahmen von Genitalien. Kinderpornografie kann in vielen Varianten auftreten.

Gemeinsam ist vielen Darstellungen jedoch, dass die Erwachsenen in den Aufnahmen nicht erkennbar sind, um der Strafverfolgung zu entgehen. In gewissen Konsumentengruppen sind Bilder beliebt, die den Eindruck erwecken, als ob die Kinder diese Handlungen freiwillig und mit Begeisterung machen oder geschehen lassen würden, in anderen machen sichtbare Hilflosigkeit und Gewalt einen besonderen Reiz aus.

Kinderpornografie wird seit mehr als 40 Jahren von Menschen produziert, vertrieben und konsumiert - und zwar hauptsächlich in westlichen Industriegesellschaften. Kinderpornografie gab es schon, bevor es das Internet gab, die Herstellung, Vervielfältigung und Verbreitung wurde durch das Internet und digitale Kameras und Bearbeitungsprogramme jedoch erleichtert.

Für das Tauschen und Verkaufen werden alle Kanäle des Internets, vor allem die weniger öffentlichen, genutzt, sagt Harald Gremel, Kriminalbeamter in der Meldestelle für Kinderpornografie des Bundeskriminalamts. Dazu zählen neben E-Mails oder persönlichen Treffen spezielle Tauschbörsen, Chats und Foren oder auch gehackte Websites, auf denen das Material versteckt wird.

Wer sind die Täter?

Kinderpornografie gebe es, so der Berliner Sexualpsychologe und Sexualtherapeut Christoph Joseph Ahlers, weil es Menschen (ausschließlich Männer) gebe, die auf vorpubertäre Kinderkörper mit sexueller Erregung reagieren, also pädophil sind.

Das bedeutet aber natürlich nicht, dass alle Pädophilen Kinderpornografie konsumieren, und schon gar nicht, dass alle Pädophilen Kinder sexuell missbrauchen und Kinderpornografie herstellen. Ein Drittel der Täter von sexuellem Kindesmissbrauch seien pädophil motiviert, zwei Drittel seien sogenannte Ersatzhandlungstäter, die eigentlich mit gleichaltrigen Partnern in sexuellen Kontakt treten könnten, aber glauben, es nicht tun zu können, und deshalb ersatzweise auf Kinder übergreifen.

Letztere Taten geschehen meist im familiären Umfeld, wohingegen Pädophile, die sexuellen Kindesmissbrauch begehen, zumeist auf ihnen anvertraute Kinder in mittelbarer sozialer Nähe, also zum Beispiel als Lehrer, Erzieher, Trainer oder Priester übergreifen.

Pädophilie sei nicht heilbar, aber therapierbar, wenn ein Betroffener einen Leidensdruck verspürt und deshalb eine Therapie wünscht, sagt Christoph Joseph Ahlers. Das Präventionsprojekt "Kein Täter werden" der Berliner Charité Universitätsmedizin in Berlin, an dem Ahlers früher mitgearbeitet hatte, hat das eindeutig nachgewiesen.

Allerdings gibt es bisher in anderen Städten so gut wie keine derartigen Angebote. Gegen Kindesmissbrauch wichtig sind außerdem Ausforschung der Täter, Finden der Opfer, um weitere Übergriffe zu verhindern, Strafverfolgung, Aufklärung und eine Stärkung der Kinder.

Übersicht