Flaue Premiere am Wiener Akademietheater
Geschichten aus dem Wienerwald
In Wien hatten Ödön von Horvaths "Geschichten aus dem Wienerwald" ihre hochkarätig besetzte Premiere. Inszeniert hat der Schweizer Regisseur Stefan Bachmann, der sich mit seinem ersten Horvath schwer getan hat.
8. April 2017, 21:58
Stefan Bachmann hat sich mit seinem ersten Horvath im wahrsten Sinne des Wortes einen Bruch gehoben. Dass die Premiere dennoch nicht verschoben wurde, ist dem Ensemble und dem kurzfristigen Einspringen von Sven Eric Bechtolff zu verdanken, der die letzte Probenwoche übernommen hat. Stefan Bachmann sei erkrankt, deshalb habe Bechtolff übernommen - so die offizielle Begründung, die Burgherr Mathias Hartmann selbst nach der Premiere dem Publikum mitteilte.
Versteinerte Mienen
Die Mienen der Darsteller beim freundlichen Schlussapplaus blieben versteinert. Was wohl daran lag, dass während des gesamten Abends kein wirklicher Rhythmus gefunden werden konnte - das Spiel kam gewissermaßen nicht Fahrt und blieb schwerfällig und behäbig wie das Bühnenbild.
Ein Wald aus braunen aufeinandergestapelten Kästen erzeugt eine bedrückende Enge - und was zu Anfang noch als interessanter Regieeinfall gedeutet werden kann - geöffnete Kästen werden zur Trafik und zum Geschäft des Zauberkönigs - das entpuppt sich nach drei Stunden als eintönige, einfallslose Kulisse, die die Darsteller bei Auf- und Abtritten behindert.
Wie das Bühnenbild entwickelt sich auch das Spiel nicht weiter, im Gegenteil, der zweite Teil - mit seinen sehr emotionalen Szenen - etwa als der Zauberkönig seine Tochter als Tänzerin im Maxim entdeckt, oder Marianne vom Tod ihres Kindes erfährt - bleibt seltsam unberührend und vage.
Das Ensemble
Österreichs Theaterstar Birgit Minichmayr, die in der letzten Zeit mit Film- und Theaterpreisen, wie Silberner Bär, Nestroy oder Schauspielerin des Jahres ausgezeichnet fehlt für die Rolle der Marianne die jungmädchenhafte Naivität. Auch kämpft sie ein wenig mit ihrem bundesdeutschen Akzent, bemüht sich um das weiche Wienerisch, was ihr nur phasenweise gelingt. Mit Horvaths Gebrauchsanweisung - "jedes Wort muss hochdeutsch gesprochen werden, allerdings so wie jemand, der sonst nur Dialekt spricht" - hat auch Zauberkönig Johann Adam Oest seine Schwierigkeiten.
Nicholas Ofczarek ist für die Rolle des schmierigen Strizzi Alfred prädestiniert- er lässt sich die Horvathschen Niederträchtigkeiten gewissermaßen auf der Zunge zergehen und erntet Lacher.
Bibiane Zeller ist als Großmutter, die Mariannes Kind umbringt etwas zu liebenswert, Johannes Krisch als Oskar ist mehr Johannes Krisch als Oskar und Regina Fritsch eine ambitionierte, in ihrer vulgären Art leicht überzeichnete Trafikantin Valerie.
Hohe Messlatte
Die unzähligen Inszenierungen und die berühmten Verfilmungen dieses Stückes, allen voran jene mit Hans Moser, Helmut Qualtinger Johanna Matz und Jane Tilden, die mancher Zuschauer vielleicht noch im Kopf hat, stellen für jede Neuauflage sicherlich eine hohe Messlatte dar.
Die rosa Glasur unter der sich Bosheit, Verlogenheit, Aggression und Rassismus verbergen - und nach und nach hervorbrechen - eine nicht unwesentliche Ebene bei Horvath - die minimiert Bachmann auf ein paar musikalische Einlagen. Sonst bleibt wenig Schminke für Demaskierungen, wenig Abgrund für einen tiefen Fall, wenig Raum für Entwicklung.
Dass das Publikum dennoch freundlich applaudiert, lacht und sogar vereinzelt Bravos spendet, das mag wohl an Horvaths Stück liegen, das so stark ist, dass ihm selbst eine wenig gelungene Inszenierung etwas anhaben kann.
Service
Ödön von Horváth, "Geschichten aus dem Wienerwald", ab 16. April 2010, Akademietheater Wien,
Ö1 Club-Mitglieder bekommen ermäßigten Eintritt (zehn Prozent).
Akademietheater - Geschichten aus dem Wienerwald