Die filmischen Inszenierungen von Danica Dakic

Role Taking - Role Making

Begrifflichkeiten wie "Kultur", "Heimat" und "Tradition" hinterfragt die Künstlerin Danica Dakic in ihren Filmen und Fotografien. Die Generali Foundation zeigt noch bis 16. Mai 2010 die Ausstellung "Role Taking - Role Making".

Kulturjournal, 21.04.2010

1962 in Sarajewo geboren, studierte Danica Dakic zunächst Malerei und übersiedelte 1988 - also vor dem Beginn des Krieges in Bosnien - nach Düsseldorf, wo sie sich der Medienkunst zuwandte. Mit ihren Arbeiten war Dakic unter anderem auf den Biennalen in Istanbul und Venedig, sowie auf der documenta in Kassel vertreten. Derzeit hat sie an der Universität für Angewandte Kunst in Wien eine Gastprofessur inne.

Die "Bildmacherin"

Danica Dakic arbeitet mit benachteiligten sozialen Gruppen, etwa mit Roma im Kosovo, mit behinderten Menschen in Bosnien, oder mit jugendlichen Asylwerbern in Deutschland - und dennoch würde sie sich nicht als sozial engagierte Künstlerin bezeichnen; eher noch als Bildmacherin. "Ich bin nicht daran interessiert, das Leben der Menschen abzubilden, sondern mir geht es um eine poetische Dimension der menschlichen Existenz - das einzige, woran zu glauben sich vielleicht lohnt."

2004 besuchte Danica Dakic die Roma-Enklave Preoce und das Flüchtlingslager Plementina im Kosovo. Aus der mehrjährigen Zusammenarbeit mit den Bewohnern, sowie mit einer Roma-Theatergruppe, entstand der Film "Role-Taking, Role-Making", der Interviews und dokumentarisches Material mit Fiktion und Darstellung verbindet. Kontrastiert werden die Erzählstränge mit Aufnahmen einer Psychologin, die wissenschaftliche Texte zur Rollentheorie rezitiert.

Szenen aus berühmten Gemälden nachgestellt

Auf das Format des Tableau Vivants griff Dakic für eine Serie von Fotografien mit dem Titel "La Grande Galerie" zurück. Mit Bewohnern von Preoce inszenierte sie Szenen nach Vorlage von Gemälden aus der Sammlung des Louvre, die klischeehafte Zigeunerdarstellungen enthalten, etwa Nicolas Régniers "Wahrsagerin" oder Georges de la Tours "Falschspieler". Allerdings wurden die Sujets nicht 1:1 nachgestellt, sondern von den Protagonisten, also den Mitgliedern der Roma-Gemeinde, interpretiert.

"Gerade durch diese Überlappung von Bildern, die wir im Kopf haben, also unserem kollektiven Gedächtnis, und den inszenierten Bildern mit echten Menschen, entsteht eine Ungewissheit, die mir gut gefällt", sagt Dakic.

Eine "neue Existenz" für die Darsteller

In einem Heim für behinderte Menschen in der Nähe von Sarajewo arbeitete Danica Dakic zwei Wochen lang mit den Bewohnern und Bewohnerinnen zusammen. Mitgebracht hatte sie ein Filmteam, ein Klavier, Hunderte Papiermasken nach alten Motiven, sowie eine großformatige Fototapete, die ein historisches Motiv aus dem 19. Jahrhundert trägt, eine idealisierte, von menschlicher Zivilisation unberührte Landschaft.

Mithilfe dieses Bühnenelements wurde im Aufenthaltsraum des Heims ein Filmset geschaffen. "Ich inszeniere Situationen und ich schaffe mit meinen Filmsets auch einen Raum der Fiktion, wo diese Personen, also die Darsteller, die Möglichkeit bekommen, sich zu entfalten und vielleicht auch zu einer fiktiven oder neuen Existenz zu gelangen", sagt die Künstlerin.

Der aus den Aufnahmen montierte Film heißt, wie das Tapetenmotiv, "Isola Bella". Menschen in Masken singen, sprechen über Erinnerungen, spielen Klavier oder posieren - ihre körperlichen oder geistigen Beeinträchtigungen werden zur Nebensächlichkeit. Für Danica Dakic war die Zusammenarbeit mit den Laien-Darstellern höchst konstruktiv. Eine behinderte Frau erwies sich etwa als geborene Schauspielerin.

Die Geschichte, die in dem Film erzählt wird, ist erst beim Schnitt des gedrehten Materials entstanden. "Die narrative Form auf den Kopf stellen" nennt Danica Dakic diesen Arbeitsprozess.

In die Landschaft projiziert

"El Dorado" heißt eine Arbeit, für die wiederum ein Foto-Hintergrund bestimmend war. Gefunden hat Danica Dakic die "El Dorado"-Bildlandschaft im Deutschen Tapetenmuseum in Kassel. Für die dortige documenta entwickelte sie 2009 das Projekt mit jugendlichen Flüchtlingen. "Sie projizieren sich in die leere Landschaft - aber eben ausgehend vom eigenen Leben. Das ist eine Arbeit, die wie eine Collage ist aus Traum und Trauma."

"El Dorado" ist ein utopischer Ort, der immer gesucht und nicht gefunden wurde - für Danica Dakic ist die Suche nach dem "El Dorado" angesichts der Kolonialisierungsgeschichte eine einzige Tragödie. Auf der "documenta" in Kassel fand diese Arbeit große Aufmerksamkeit. "Ich habe die Jugendlichen mitgenommen zu allen Presseterminen, weil ich ihnen zeigen wollte, dass man eine Stimme hat, und dass man die Kunst auch nutzen kann, um für sich zu sprechen."

Wie das Leben der Jugendlichen während und nach der Teilnahme am Kunstprojekt aussieht, was aus ihren Träumen und Zukunftsvisionen wurde, das ist aus dem Film nicht ersichtlich - und es ist auch dezidiert nicht das Thema von Danica Dakic ästhetisierten Bildwelten.

Service

Ausstellung Danica Dakic, "Role-Taking, Role-Making", bis 16. Mai 2010, Generali Foundation

Generali Foundation