Punkt 12 in Alcalá de Henares
Emilio Pacheco erhielt Cervantes-Preis
Jedes Jahr am 23. April hält das offizielle Spanien im Zeichen der Literatur inne. Punkt 12 Uhr mittags ertönt vor der Universität von Alcalá de Henares in der Nähe von Madrid die spanische Hymne, gespielt von einer Militärkapelle - das Startsignal für die Verleihung des Cervantes-Preises.
8. April 2017, 21:58
Kulturjournal, 23.04.2010
Eine Ehrenkompanie war auf dem Campus der Universität zur Begrüßung des Staatsoberhauptes angetreten. König Juan Carlos trug – wie vom Protokoll vorgeschrieben – einen vorzüglich geschnittenen Frack. Dem sozialistischen Premierminister Zapatero, der neben dem Monarchen Aufstellung genommen hatte, war anzusehen, dass er nur selten in diesem Gesellschafts-Anzug auftritt. Beide waren in Begleitung ihrer Ehefrauen gekommen, um dem mexikanischen Poeten José Emilio Pacheco den wichtigsten spanischen Literaturpreis zu übergeben.
Literatur und Poetik unterrichtet
Pacheco wurde 1939 in Mexiko-Stadt geboren. Schon als Schüler begann er zu schreiben, seine ersten Gedichte wurden in Zeitschriften veröffentlicht. Mit 19 trat der Sohn eines Notars, der die Kanzlei des Vaters auf keinen Fall übernehmen wollte, als Kritiker und Kolumnist in Erscheinung. Sein Englisch- und Literaturstudium ermöglichten ihm langjährige Auslandsaufenthalte, Pacheco unterrichtete Literatur und Poetik in Kanada, England und den Vereinigten Staaten.
Die erste persönliche Begegnung mit spanischen Autoren liegt 60 Jahre zurück. Exilierte Republikaner machten ihn mit Gedichten bekannt, die auf der anderen Seite des Atlantiks geschrieben wurden. Der Poet, der seine Sympathien für die Linke nie verheimlichte, wurde vom spanischen Monarchen mit folgenden Worten begrüßt:
"Seit mehr als 30 Jahren finden wir uns in einer feierlichen Sitzung in der Universität von Alcala de Henares ein, um den Miguel de Cervantes-Preis zu vergeben."
"Mittel gegen die Leere"
Die spanische Kulturministerin Angeles Gonzalez-Sinde, die als Drehbuchautorin bekannt wurde, würdigte den 71-Jährigen folgendermaßen: "Pacheco hat uns gezeigt, dass das Fragile überdauert, dass es Mittel gegen die Leere gibt, und dass man ein Bewusstsein für die Zeit entwickeln kann."
In seiner vom Fernsehen direkt übertragenen Dankesrede erinnerte José Emilio Pacheco an Miguel de Cervantes, den in Alcalá geborenen Autor des "Don Quijote":
"Die Windmühlen, die im Jahr 1585 errichtet wurden und als Zeichen der Modernität galten, bevor dieses Wort noch erfunden wurde, wirkten wie Giganten. Ähnlich war die Wirkung des Don Quijote auf einen Buben, der gemeinsam mit seiner Schulklasse im Jahr 1947 in Mexiko-Stadt sprachlos das in ein Schauspiel verwandelte Buch von Cervantes erlebte."