Die Burg des Architekten Werner Tscholl

My Home Is My Castle

Einmal in einer echten Ritterburg wohnen - die einen träumen davon, der Südtiroler Architekt Werner Tscholl hat sich diesen Traum verwirklicht. In Reichenberg im Südtiroler Münstertal hat er aus einer romanischen Ritterburg sein Refugium gemacht.

Kulturjournal, 23.04.2010

Erbaut um 1100

Von der imposanten Anlage Reichenberg, die in ihren Ursprüngen auf die Zeit um 1100 zurückgeht, ist eigentlich nur noch der beeindruckende Turm übrig und dieser 21 Meter hohe Turm hat es Werner Tscholl angetan. Als der Architekt, den schon seit der Frühgeschichte besiedelten Platz zum ersten Mal betrat, spürte er gleich, dass er hier Fuß fassen wollte.

Das Alte und das Neue klar trennen ist ein wesentlicher Grundsatz von Werner Tscholl. Auch ein Laie erkennt hier den Unterschied, denn neue Mauern werden nur in Trockenbauweise errichtet und deutlich abgesetzt oder Gebäude in rostigem Stahl davor gestellt, so wie der Eingangszylinder, der den sieben Meter hohen Niveauunterschied zur vorhandenen Turmöffnung überbrückt. Eine Wendeltreppe führt hinauf zu einer gerasterten Stahl-Brücke - und spätestens ab hier muss der Besucher schwindelfrei sein, denn die Stahlstiegen führen - gerade mal so breit wie zwei Füße - in den Turm hinauf, ohne Geländer wohl gemerkt, denn ein diagonaler Handlauf hätte das Bild der Romantik zerstört, ist Tscholl überzeugt.

Traumblick über das Münstertal

Transparenz ist dem Puristen ebenso wichtig wie die historische Authentizität - das Neue darf das Alte nicht verdecken. So blickt man vom obersten Stock durch Glasebenen steil hinunter - für Nicht-Geübte ein mulmiges Gefühl. Das Schlafzimmer mit schmalem Bett aus heimischem Holz erinnert an eine Schiffskajüte: Es ist ganz oben positioniert mit einem Traumblick über das Münstertal Richtung Schweiz. Die Toilette ist dagegen ganz unten - kein Problem für die Burgherrin Theodora: "Wir müssen nicht in der Nacht aufs Klo."

Die ganze Stahlkonstruktion wurde in Teilen mit dem Hubschrauber von oben in den holen Zylinder gehievt. Genauso könnte man diese modernen Einbauten wieder entfernen, ohne Spuren zu hinterlassen. Und genau das ist dem Neo-Burgherren wichtig, er will sich hier nicht selbst verwirklichen, die romanischen Mauern bleiben unberührt. "Die Generation nach uns findet die gleiche Situation vor, wie vorher", so Tscholl.

Und was reizt den vielbeschäftigten Architekten, seine Wochenenden in einem abgeschiedenen Turm in Taufers zu verbringen? Ist es der Schutz, den die imposanten, zwei Meter dicken Mauern bieten? "Man lebt in zwei Welten", meint er dazu.

Textfassung: Ruth Halle

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Werner Tscholl