Erinnerungsarbeit im Herzen Berlins

Die neue "Topographie des Terrors"

Das frühere Prinz-Albrecht-Palais war die Zentrale des Nazi-Terrors. In ihren Kellern wurden tausende Menschen verhört, gequält, gefoltert. Auf dem Gelände des im Krieg zerstörten Gebäudes öffnet nun eine neue Ausstellung zur Geschichte dieses Schreckensortes.

Das Reichssicherheitshauptamt (RSHA) im Zentrum Berlins zählte zu den schlimmsten Adressen im Gewaltsystem der Nationalsozialisten. Wo sich heute Niederkirchner- und Wilhelmstraße kreuzen, planten einst Reinhard Heydrich und Heinrich Himmler den Holocaust.

Ein weites Feld öffnet sich über den wenigen Resten des ehemaligen Gestapo-Hauptquartiers und des Prinz-Albrecht-Palais', ein grau-silberner Pavillon erhebt sich in der Mitte. Im Neubau wird am Freitag, 7. Mai 2010 die Dauerausstellung zur "Topographie des Terrors" für das Publikum eröffnet.

Wichtiger Erinnerungsort

"Eine offene Narbe, kein Stadtpark, kein lieblicher Platz", beschreibt Andreas Nachama, Direktor des Dokumentationszentrums, das Gelände. Eine schroffe Steinlandschaft legt sich um das Gebäude. Im Süden steht ein Wäldchen, im Norden weitet sich der Blick über einen 200 Meter langen Mauerrest zum einstigen Reichsluftfahrtministerium Hermann Görings. "Hier treffen das Dritte Reich und seine sichtbaren Folgen wie kaum woanders zusammen", sagt der Historiker. Nachama gehörte zur Bürgerinitiative, die 1987 das Gelände als provisorischen Informationsort erschlossen hatte.

Bisher zeichneten Texttafeln unter offenem Himmel entlang der einstigen Grundmauer die Bedeutung des Areals nach. Mehr als eine halbe Million Besucher suchen jedes Jahr in dieser Stätte der Täter nach Spuren des NS-Terrors. Die Ruinen von Hitlers Reichskanzlei, 750 Meter Luftlinie entfernt, wurden nach dem Krieg abgetragen, die "Topographie" zählt zu den bestbesuchten Erinnerungsorten in Berlin.

Gescheiterte Pläne

Schon vor 15 Jahren gab es Pläne, das Provisorium zu festigen. 2004 war nach einem Entwurf des Schweizer Architekten Peter Zumthor ein Rohbau entstanden. Doch der Plan für eine filigrane Fassade mit Betonstäben erwies sich als technisch zu kompliziert, Kosten explodierten, das Projekt verhedderte sich im Gestrüpp der Bauverwaltung - und wurde gestoppt.

Von den einst geplanten Kosten von 38,8 Millionen Euro wurden 13 Millionen in den Sand gesetzt. Mit 25 Millionen Euro vom Bund und dem Land Berlin entstand nach Plänen der Architektin Ursula Wilms vom Büro Heinle, Wischer und Partner der 1800 Quadratmeter große Neubau, die Gestaltung des Geländes übernahm der Landschaftsarchitekt Heinz Hallmann (Aachen).

Unter dem Dach des Dokumentationszentrums hängen im Obergeschoss die Informationstafeln zum NS-Massenmord. Im Souterrain haben die Besucher eine öffentliche Bibliothek mit rund 27.000 Bänden und andere Medien zum Holocaust zur Verfügung. Die Räume sind um einen Innenhof mit Wasserbecken gebaut.

Hitlers gebildete Vollstrecker

Die Ausstellung zeigt Dokumente des NS-Terrors, Fotos der Täter um Himmler, die Mordpläne, die Vollstreckung in den Lagern, auf den Straßen Osteuropas und in den Folterkellern nur wenige Meter entfernt. "Die Besucher sollen begreifen, woher die Täter kamen, die gebildete Leute und promovierte Juristen waren", sagt Nachama.

Täter waren Männer wie der promovierte Jurist Erich Ehrlinger, der zu den mehr als 200 RSHA-Führungskräften gehörte und Feder führend am Genozid beteiligt war. Ehrlinger, der im Baltikum den Massenmord gegen die Juden leitete, gehörte zur "Generation des Unbedingten", wie der Historiker Michael Wildt sein Werk über die RSHA-Spitze nannte. Nach dem Krieg wurde Ehrlinger Chef eines Autohauses in Karlsruhe. 1958 wurde er zu zwölf Jahren Haft verurteilt, kam aber 1965 wieder frei.

So zeigt die Ausstellung auch den Umgang mit den NS-Tätern im Nachkriegs-Deutschland. Eine große Wandtafel mit den Karteikarten der Beschuldigten beschreibt das Ausmaß der Straflosigkeit. Von den mehr als 200 RSHA-Tätern wurden etwas mehr als ein Dutzend verurteilt.

Umgang mit Geschichte

"Warum soll sich jemand mit dieser Geschichte beschäftigen", fragt Nachama. "Weil in Griechenland, in Chile, in Argentinien - um nur mal drei Beispiele zu geben - es auch nach 1945 Versuche gegeben hat, die Errungenschaften der Französischen Revolution durch faschistische, rassistische oder andere Regimes zu ersetzen."

Auf dem Gelände können die Besucher auf 15 Stationen entlang der einstigen Kellermauern, vorbei am Autoeingang in den Hof des Prinz-Albrecht-Palais' der Wirkung der einstigen SS- und Gestapo-Zentrale auf die Stadt nachspüren. Wo die Berliner bis in die 1970er Jahre für ein paar Mark mit dem Auto für den Führerschein üben konnten, ist jetzt ein Wald gewachsen. Die aufgeschütteten Asphaltwege des Autodroms sind auch ein Bild für den Umgang mit Geschichte.