Eine "FAZ"-Hymne über Igor Levit
Ein deutsches Klavierwunder?
Im Fernen China hat die "FAZ" den nächsten deutschen Klaviersuperstar ausfindig gemacht. "Eine große Erschütterung" habe Igor Levit (23) bei den chinesischen Hörern ausgelöst. Zu hören gibt es Levit bis jetzt nur live und im Internet.
8. April 2017, 21:58
Schweigesekunden
Sensationelles weiß die FAZ in ihrer Ausgabe vom 4. Mai 2010 zu berichten. Ein deutscher Pianist soll bei einem Gastspiel des Kissinger Sommers in China für ein Klavierwunder gesorgt haben: "Das chinesische Publikum, nicht gewöhnt an solcherart subjektive, zugleich wuchtige und zartinnige Musik, hält die Luft an und legt ein paar Schweigesekunden ein", schreibt Eleonore Büning über die Wirkung von Beethovens "Waldstein"-Sonate in der Interpretation durch Igor Levit.
Levit wurde in Gorki (heute Nischnij Nowgorod) geboren. Er erhielt ersten Klavierunterricht von seiner Mutter, einer Enkelschülerin des legendären Heinrich Neuhaus. Levit ist noch immer in Ausbildung, studierte unter anderem in Salzburg bei Hans Leygraf.
Publikum weinte
Die Faszination über Levits China-Auftritte steigert sich bei Büning fast schon zur Epiphanie: "Wir haben uns umarmt und geschnieft, einer von den Musikern flüsterte immer nur so etwas wie 'nicht zu fassen', und Levit fiel, nachdem er auf dem Flur all die dahingestammelten Komplimente entgegengenommen hatte, in komischer Verzweiflung auf die Knie und weinte fast ein bisschen mit."
Levit hatte auf einem verstimmten Klavier in Qingdao sieben der extravaganten transzendentalen Etüden von Franz Liszt gespielt und das Publikum trotz widriger Umstände in seinen Bann gezogen: "Wie oft werden Liszts großartige, rätselhafte Etuden nur bewältigt, nicht gelesen, nicht interpretiert", berichtet Büning. "Die konkrete Kakophonie falscher Töne hatte plötzlich keine Rolle mehr gespielt. Darüber oder dahinter hatte sich ein abstrakter Raum aufgeschlossen, darin Levit die musikalische Poesie entfaltete, die in jedem einzelnen dieser Charakterstücke steckt."
Diabelli-Variationen warten auf Label
Plattenvertrag hat Levit noch keinen, dafür ist er bei einer der renommiertesten Agenturen untergekommen: Harrison Parrot in London. Konzerte für 2011 und 2012 sind schon fixiert.
Schon jetzt zu hören ist Levit im Internet. Auf YouTube stellt er sich mit Reger vor. Die Fuge aus "Variationen und Fuge über ein Thema von Georg Philipp Telemann" spielt er federnd, ohne Behäbigkeit, mit gleißenden Oktavketten. Und 3sat dokumentierte seine Beschäftigung mit Beethovens Diabelli-Variationen, die er bereits eingespielt hat. Fehlt nur mehr ein Label, das die Aufnahme veröffentlicht.
Service
FAZ - Eine große Erschütterung
YouTube - Igor Levit spielt Reger
3sat - Beethovens Geheimnisse
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