Künstler/innen kuratieren Ausstellungen
Curated by_vienna 2010
20 Wiener Galerien laden derzeit zu einer gemeinsamen Ausstellung ein. Wie in einer Museumsschau wurden dazu Kuratoren bestimmt, die für die Präsentation in den Galerien und die Auswahl der Werke verantwortlich sind. Das Besondere dabei: Diese Kuratoren sind selbst Künstler und zwar sehr renommierte.
8. April 2017, 21:58
Kulturjournal, 07.05.2010
Humorvoller Zugang zum Medium
Bei der Eröffnung am Donnerstag, 6. Mai 2010, freuten sich zahlreiche Besucher über die Kunstfilme. Denn, wer denkt, Kunstfilm sei eine langweilige, verkopfte Angelegenheit und dabei an manche Videokunst aus den 1970er und 80er Jahren denkt - also Türme von Videogeräten, sogenannte Videowalls, über die Filme in schlechter Qualität flimmerten -, der wird in dieser Ausstellung eines Besseren belehrt.
Die Künstler haben heute einen oft sehr humorvollen und sinnlichen Zugang zum Medium Film. So hat etwa der Künstler Guy Ben-Ner ohne Drehgenehmigung in verschiedenen IKEA-Filialen einen Film gedreht - unter dem Motto: IKEA stiehlt uns unser Privatleben, wir stehlen es zurück.
Wohnst du noch?
Man sieht ihn in dem Film zusammen mit seiner Frau und den zwei Kindern im Pyjama, wie sie es sich in den IKEA-Ausstellungsräumen gemütlich machen. Während etwa Vater und die heranwachsende Tochter am Küchentisch über das Thema Eigentum debattieren, baumeln dazwischen die typischen Preisschilder "Salmö 99,-" von der Küchenlampe. Während der Sohn etwa mit gelben Plastikhandschuhen und ohne Wasser abwäscht, laufen immer wieder normale IKEA-Besucher durchs Bild. Es gibt auch Bettszenen: Wenn sich das Ehepaar zum Schlafen niederlegt und die Frau dringend noch etwas mit ihrem Mann besprechen möchte:
Die Bettszenen waren am schwierigsten zu drehen, denn das Konzept des Films war: Die Schnitte werden bestimmt von den IKEA-Mitarbeitern. Immer wenn sie die Filmcrew hinauswirft, gibt es einen Schnitt und der Dreh geht in einer anderen IKEA-Filiale weiter. Guy Ben-Ner, der Israel bei der Venedig-Biennale 2005 vertrat, hat mit diesem Film schon einige Preise gewonnen.
Es ist der Lieblingsfilm der Künstlerin Anna Jermolaewa, die diese Schau kuratiert hat. Sie hat die Arbeiten in der Galerie Engholm ganz nach ihrem persönlichen Zugang ausgewählt. Wie auch den Film von Oleg Kulik, in dem er als menschlicher Hund, nackt vor einem Ausstellunghaus in Zürich angekettet, die Passanten verbellt und beißt.
Klischees über russische Männer
Wesentlich konzeptueller ist der Zugang zum Thema Film in der Galerie Martin Janda, wo der Künstler Martin Arnold eine eigene Arbeit zeigt: einen Comicstreifen, in dem Mickey und Pluto die Augen fehlen. Er thematisiert damit das kollektive Nicht-Sehen.
Der Zugang zum Thema Film von den Blue Noses aus Russland in der Galerie Knoll ist im Kontrast dazu wieder ganz und gar burlesk. Diese Formation, die 2005 auch bei der Biennale in Venedig dabei war, karikiert auf sehr feuchtfröhliche Weise immer gerne Klischees, die es über russische Männer so gibt.
Slava Misn von den Blue Noses erklärt, sie würden den Menschen mit ihren Kurzfilmen gerne eine Spiegel vorhalten, damit sie sich selbst in dieser Situation sehen könnten.
Eine Schau für die ganze Stadt
Wirklich sehenswerte Auseinandersetzungen mit dem Thema Film und Kunst gibt es dann noch in den Galerien Georg Kargl, in den Galerien Steinek oder nächst St. Stephan.
Insgesamt ist departure, der Kreativagentur der Stadt Wien, mit "curated by" heuer so etwas wie eine Museumsschau gelungen, die über die ganze Stadt verteilt ist.
Es ist eine hochkarätige Schau, die auch international großes Interesse erregte. Denn die 20 Parallelausstellungen haben nicht nur optisch einen hohen Reiz, sie werden auch die Diskussion in diesem Sektor weiter bringen.
Textfassung: Ruth Halle