Anrufe bei Wiener Hotline

Betroffene in zwölf Heimen

Einerseits hat die Stadt Wien Anzeige wegen mutmaßlichem sexuellem Missbrauch an zahlreichen Heimkindern in den 1990er Jahren erstattet. Andererseits gibt es seit Ende März eine Telefon-Hotline für Opfer. Da haben sich vor allem Betroffene aus den 1950er, 1960er und 1970er Jahren gemeldet und über schwere Misshandlungen in insgesamt zwölf Heimen berichtet.

Mittagsjournal, 12.05.2010

Perfide Methoden

Einige der Betroffenen leiden noch bis heute unter dem, was sie zwischen 1949 und 1975 in Wiener Heimen an psychischer und physischer Gewalt erlebt haben, sagt die Kinder- und Jugendanwältin Monika Pinterits. 20 Betroffene haben sich bisher telefonisch gemeldet. Von Fausthieben, Fußtritten und stundenlangem Knien haben sie berichtet und von besonders perfiden Bestrafungsvarianten, bei dem an der Kinder dazu angehalten wurden, auf ein anderes einzuschlagen.

Ein Dutzend Heime

In zwölf verschiedenen Heimen der Stadt Wien oder in Heimen, die mit der Stadt zusammengearbeitet haben, waren die Anrufer und Anruferinnen untergebracht. Besonders aus dem seit längerem geschlossenen Heim im Schloss Wilhelminenberg wurden sexuelle Misshandlungen berichtet, bis hin zu Vergewaltigungen, sagt Pinterits. Von Misshandlungen sei unter anderem auch aus dem Waisenhaus Mödling, dem Himmelhof, dem Adolf-Lorenz-Heim und dem Heim Pötzleinsdorf berichtet worden.

Keine Unterschiede?

Hat es in öffentlichen Heimen also gleich viel Gewalt gegeben wie in kirchlichen? Gibt es in Heimen gleich viel sexuellen Missbrauch wie in der Familie? Das könne man nicht sagen, so Pinterits. "Wo Menschen auf engem Kontakt zusammenleben, ob Familie, in Heimen, Klosterschulen oder Vereinen, in geschlossenen Systemen sind Übergriffe durchaus Thema." Pinterits betont aber, es habe auch Anrufer gegeben, die an ihre Heimvergangenheit durchaus auch positive Erinnerungen haben.

Fast alle wollten übrigens nur über das Erlebte reden, ernst genommen werden und anonym bleiben - so auch fünf Opfer aus kirchlichen Einrichtungen, die ebenfalls lieber bei der städtischen Telefonhotline angerufen haben.

Keine aktuellen Beanstandungen

Zum angeblichen systematischen sexuellen Missbrauch von Heimkindern speziell aus dem August-Aichhorn-Haus in den 90er Jahren hat nun auch Jugendstadtrat Christian Oxonitsch von der SPÖ Stellung genommen. Er begrüße die neuerlichen Ermittlungen nach der Anzeige der Stadt Wien. Den Vorwurf der Vertuschung durch städtische Einrichtungen vor 10 Jahren weist er zurück: "Von Seiten der Stadt Wien wurden hier alle Schritte gesetzt, um seriös den Vorwürfen nachzugehen. Das Gericht hat letztendlich entschieden. Im vergangenen Jahr sei das August-Aichhorn-Haus viermal unangemeldet überprüft worden. Es gebe keine aktuellen Beanstandungen oder Vorwürfe.

Telefonnummer 147

Und doch scheint man bei der Stadt Wien Konsequenzen für nötig zu halten. Ab heute muss in allen Kinderheimen bzw. Wohngemeinschaften, die mit der Stadt Wien zusammenarbeiten, die Telefonnummer 147 von "Rat auf Draht" ausgehängt werden. Dort können sich Kinder und Jugendliche melden, wenn es Probleme im Heim gibt.

Übersicht

  • Sexuelle Gewalt