Sparpolitik auf dem Prüfstand
EU-Finanzministertreffen in Brüssel
In Brüssel treffen am Montag die Finanzminister der Eurozone zusammen. Es ist die erste Zusammenkunft nach der dramatischen Rettungsaktion des Euro von vergangener Woche. Ein währungspolitischer Kollaps konnte abgewendet werden, aber der Euro fällt weiter. Europas Finanzen haben ihre Schwierigkeiten noch lange nicht überwunden.
8. April 2017, 21:58
Morgenjournal 17.05.2010
Sparpolitik und Krisenfolgen
Die Finanzminister treffen sich, wie üblich, am Nachmittag im engeren Rahmen der 16 Eurostaaten und erst Dienstag als vollständiger Kreis der 27. Die verschärfte Sparpolitik, die sich Europa jetzt verordnet, und die Folgen der Eurokrise werden im Vordergrund stehen.
Prüfungsphase beginnt
Portugal und Spanien mussten zusätzliche Einsparungen versprechen, um spekulative Attacken gegen den Euro weniger wahrscheinlich zu machen. In beiden Ländern haben die Regierungen letzte Woche bittere Einschnitte gesetzt, die vom Verzicht auf eine volkswirtschaftliche Brücke bei Lissabon bis zu fünfprozentigen Kürzungen bei einigen Beamtengehältern gehen. Bis zum Sommer will man prüfen, ob damit ein glaubwürdiger Weg zur Reduktion des Defizits unter drei Prozent des Bruttonationalprodukts innerhalb von drei Jahren beschritten ist.
Match um Hedgefonds
Ein erstes Kräftemessen einer Mehrheit von EU-Staaten dürfte es diese Woche mit der neuen konservativ-liberalen Regierungskoalition in Großbritannien geben. Denn London lehnt die von den meisten EU-Staaten geforderten strengeren Regeln für hochspekulative Hedgefonds ab.
London fürchtet um Finanzplatz
Zwei Drittel dieser Fonds in Europa, denen eine Mitschuld an der Finanzkrise gegeben wird, haben ihren Sitz in der Londoner City. Darunter sind auch viele Fonds, die offiziell von einem der zahlreichen Steuerparadise aus agieren. Sie sollen endlich an die Kandare von EU-Regulatoren gelegt werden. Die britische Regierung fürchtet aber von zu strengen Regeln Konkurrenznachteile für London gegenüber New York oder asiatischen Börsenplätzen und legt sich quer.
Böses Blut
Der Reformvertrag würde in diesem Fall einen qualifizierte Mehrheitsentscheidung gegen Großbritannien möglich machen, was von David Cameron aber zweifelsohne als unfreundlicher Akt gewertet würde. Für böses Blut hat es bereits gesorgt, dass sich Großbritannien beim Euro-Rettungspaket abseits gehalten hat. Und das, obwohl britische Banken in von der Krise stark betroffenen Ländern wie Spanien oder Irland besonders stark engagiert sind. Wenn einmal das britische Pfund unter Beschuss kommt, werden wir dann eben auch nicht helfen, hieß es in Paris.
Gespannt darf man auch auf die ersten Reaktionen der Finanzminister zu den Plänen der EU-Kommission sein, bei den Budgets eine Vorabklärung auf europäischer Ebene einzuführen.
Karas: Stabilitätspakt verschärfen
Der ÖVP-Europaabgeordnete Othmar Karas ist für eine Verschärfung des Stabilitäts- und Wachstumspaktes. Verstöße müssten geahndet werden, und dabei müsse es den Mitgliedsstaaten aus der Hand genommen werden, dass diese entscheiden, ob Sanktionen verhängt werden. "Das muss eine Sache der Kommission sein", so Karas.
"Sanktionen müssen Sache der Kommission sein"
ÖVP-Europaabgeordneter Othmar Karas im Morgenjournalgespräch mit
Automatismus für Sanktionen
Der Pakt müsse eingehalten und dürfe nicht ausgehöhlt werden, sagte Karas im Ö1-Morgenjournalgespräch. Es brauche einen Automatismus für Sanktionen und die Einleitung des Defizitverfahrens durch die EU-Kommission, sagte Karas.
Für Budget-Vorprüfung
Außerdem befürwortet Karas eine Vorprüfung der Budgets, überhaupt "eine EU-Verträglichkeitsprüfung aller nationalen Gesetze, die in Zusammenhang mit europäischen Projekten stehen", so Karas. Entsprechende Vorschläge von EU-Kommissar Oli Rehn unterstütze er.
Einheitliche Regel für Hedgefonds
Zur Regulierung der Finanzmärkte fordert Karas eine gesamteuropäische Regel für Hedgefonds anstatt wie bisher 27 unterschiedliche nationale Richtlinien. Er hofft, dass am Montag das EU-Parlament zustimmt und am Dienstag der Ecofin-Rat. Die neue Richtlinie werde zu mehr Kontrolle führen und zu einem europäischen "Pass" für Hedgefondsmanager.
Budgetsanierung gegen Spekulation
Spekulation gegen einzelne Länder sei aber auf die verfehlte Budgetpolitik dieser betroffenen Staaten zurückzuführen. Deren Schuldenpolitik schade nicht nur diesen Ländern selbst, sondern der gesamten Gemeinschaft.
Kurs fällt weiter
Der Eurokurs ist trotz aller Bemühungen in der Vorwoche am Montag wieder gefallen. Ein Euro kostet an der Börse von Tokio nur noch etwas über 1,23 Dollar. Das ist noch einmal weniger als zu Börseschluss am Freitag in New York. Ein klares Zeichen, dass die Finanzmärkte bisher nicht auf das 750 Milliarden Euro schwere Hilfspaket zur Stabilisierung des Euro reagieren. Die Anleger hätten immer noch Zweifel, ob die Schuldenkrise in Europa auch tatsächlich bewältigt werden kann, so ein Händler in Tokio.
Morgenjournal 17.05.2010
Panikkäufe treiben Goldpreis
Wie sehr das Vertrauen der Anleger erschüttert ist, zeigt auch die Kursentwicklung bei der "Krisenwährung" Gold. Der Goldpreis erreicht ein Rekordhoch nach dem nächsten, eine Feinunze kostet bereits über 1000 Euro. Und viele Finanzexperten gehen davon aus, dass der Goldpreis noch weiter steigen könnte. Denn die Nachfrage ist groß, Händler in Deutschland sprechen von Panikkäufen.
Nachfrage kaum zu decken
Aber auch in Österreich wurde in den letzten beiden Wochen mehr Gold gekauft, als im gesamten ersten Quartal dieses Jahres, so die Münze Österreich. Vor allem Privatpersonen wollen derzeit vermehrt Gold kaufen, das treibt den Kurs weiter nach oben und führt auch schon zu Wartezeiten, weil die Nachfrage kaum gedeckt werden kann.