Cotzee-Verfilmung "Schande"
Schuld und keine Sühne
"Schande" heißt ein 1999 veröffentlichter Roman des südafrikanischen Literaturnobelpreisträgers J. M. Coetzee. Wie in einigen seiner Bücher beschäftigt sich Coetzee auch in "Schande" mit dem Südafrika in der Postapartheid-Ära. Nun wurde der Roman verfilmt.
8. April 2017, 21:58
Synchron, 20.05.2010
Wenn Professor Lurie die Universität von Kapstadt betritt, dann mit einer Aura von selbstverständlicher Überheblichkeit und Arroganz. Er ist ein kultivierter Schöngeist, dem aber die Weiterbildung seiner Sinne durch Literatur und Oper keineswegs die unschönen Seiten menschlicher Natur ausgetrieben hat: Macht und ihr rücksichtsloser Missbrauch sind ihm nicht fremd, zum Beispiel wenn er das Autoritätsverhältnis zu einer schwarzen Studentin ausnutzt.
Ausbeutung, vor allem sexuelle, wird zum Motiv, das in der Folge stellvertretend die Probleme einer ganzen Gesellschaft verdeutlicht, denn als Lucy, die auf dem Land lebende Tochter des Professors, von drei Schwarzen vergewaltigt wird, scheint sich ein ewiger Kreislauf von Schuld und Sühne aufzutun. Doch dann durchbricht das Opfer die gewohnten Rituale von Gewalt und Rache, von Recht und Gerechtigkeit.
Kultur aktuell, 20.05.2010
Komplexes Gesellschaftspanorama
Die Vergangenheit nicht vergessen, sie aufarbeiten, aber vor allem nach vorne schauen und den Tätern vergeben. Diese an die von Nelson Mandela eingesetzte südafrikanische Wahrheits- und Versöhnungskommission angelehnten Motive spiegeln sich im Roman "Schande" von J. M. Coetzee genauso wider wie im Film, doch zugleich wird das Konzept auf seine Alltagstauglichkeit hinterfragt, wenn Überwindung und menschliche Größe fehlen, wenn die Beziehungen zwischen Schwarz und Weiß immer noch durch alte Muster und Misstrauen geprägt sind.
Regisseur Steve Jacobs behält die Kanten des Romans bei, stellt genauso irritierende, aber notwendige Fragen. "Ich wollte dem Geist der Vorlage möglichst treu bleiben", so Steve Jacobs. Niemals erdrückt Jacobs seine Figuren, stets behält er wie die Sprache im Roman eine kühle Distanz zu ihnen, die auch die umfassenden Kommunikationsprobleme mittransportiert, nicht nur zwischen Weißen und Schwarzen, sondern auch zwischen Männern und Frauen, zwischen Alt und Jung. Der Film "Schande" entwirft so eindringliche Charakterstudien, hinter denen sich ein komplexes, politisches Gesellschaftspanorama auftut.