Harmlose Raufereien und pure Gewalt
Meg Stuart bei den Wiener Festwochen
Die amerikanische Tänzerin und Choreografin Meg Stuart gilt als eine der wichtigsten Vertreterinnen des zeitgenössischen Tanzes. Am Mittwoch, 19. Mai 2010 gastierte sie mit ihrem aktuellen Stück "Do Animals Cry" bei den Wiener Festwochen.
26. April 2017, 12:23
Kultur aktuell, 20.05.2010
Sechs Darsteller verhandeln in dieser Tanzperformance die Rollenbilder innerhalb einer traditionellen Familie und die damit verbundenen Erinnerungen und verdrängten Gefühle.
Mäßig kontrollierte Gefühle
Ein Esstisch, eine Hundehütte und eine Höhle prägen das Bühnenbild in der Halle G des Museumsquartiers. Dazwischen dreht sich zwei Stunden lang alles um unausgesprochene und nur mäßig kontrollierte Gefühle.
Die harmlose Rauferei zwischen Geschwistern, die schnell in pure Gewalt hineinkippt, oder zärtliche Berührungen, hinter denen bald die offene sexuelle Begierde hervorkommt: Mit tänzerischen Mitteln führen die sechs Darsteller vor, welche Energien im Beziehungsgeflecht einer Familie frei werden können, die sich selbst die sogenannte Normalität vorgespielt hat.
Innerfamiliäre Codes
Das Ensemble, das zu Beginn im Pyjama auftritt, kommuniziert mittels innerfamiliärer Codes, etwa indem man sich Spitznamen gibt. Ständig wechseln die Mitglieder ihre Rollen, jeder begehrt und bekämpft jeden. Als von außen jemand in dieses Treiben dazustößt, wird alles noch unkontrollierbarer, die Charaktere nehmen in ihrer Obsession tierische Züge an.
"Do Animals Cry", das aktuelle Stück von Meg Stuart und ihrer Company "Damaged Goods", befasst sich auf intensive und fesselnde Art mit der Instabilität von Familienstrukturen - ein Tanztheaterabend, der jeden Augenblick spannend bleibt. Das Thema habe sich wunderbar für ein Tanzstück geeignet, sagt Choreografin Meg Stuart.
Einheit trotz Zwist
Es sei interessant zu sehen gewesen, wie die Darsteller ihre Rollen verhandelten und dabei auch mit ihnen kämpften, so Stuart. Bei all den emotionalen Grenzgängen funktioniere das System Familie in ihrem Stück aber dennoch, sagt die Choreografin - wenn auch auf eigenartige Weise. Zwar seien die Charaktere nicht immer nett zueinander, würden aber dennoch in Kontakt treten und eine Einheit bilden.
Mit "Do Animals Cry" ist Stuart erstmals seit zehn Jahren wieder bei den Wiener Festwochen zu Gast. 1991 wurde die amerikanische Choreografin und Tänzerin gleich mit ihrer ersten abendfüllenden Produktion, dem Stück "Disfigure Study", mit einem Schlag berühmt. Es folgte eine Reihe umjubelter Produktionen Meg Stuarts mit ihrer Company "Damaged Goods", die seit 1994 in Brüssel beheimatet ist.