"A Nightmare on Elm Street" neu verfilmt

Freddy Krueger reloaded

Jede Gesellschaft erhält den Horror, den sie verdient. Kein Wunder also, dass Freddy Krueger die 1980er Jahre geprägt hat. Insgesamt acht Mal durfte Krueger ahnungslosen Jugendlichen in ihren Träumen auflauern; jetzt schleicht er rundum erneuert in der Neufassung des Originalfilms wieder durch die Kinos.

Horrorfilme sind mehr als bloße Unterhaltungsprodukte: Die Schreckensvisionen erzählen viel von der Zeit, in der sie entstanden sind, viel von der Gesellschaft, der sie Angst einjagen sollen. In den 1950er Jahren münzen Regisseure die Bedrohung durch den Kalten Krieg und die schleichende Paranoia um in Erzählungen von außerirdischen Invasoren. In den 1970ern übernehmen harte Thriller das Ruder: im "Texas Chainsaw Massacre" wird der ruhige Nachbar zum Monstrum, der sich Lampenschirme aus Menschenhaut bastelt.

Der Traumdämon mit den Messerfingern aus Wes Cravens ikonischem Thriller "A Nightmare On Elm Street" personifiziert die Unsicherheiten einer scheinbar sorglosen Welt, die ganz im Materialismus aufgeht. An der Kunstfigur Freddy Krueger und ihren diversen Mutationen im Verlauf der Horror-Serie lassen sich auch die Veränderungen im Genrekino ablesen.

Ein zorniger Gott

Es ist das Jahr 1984: Das Kino wird dominiert von Indiana Jones, die "Movie Brats" Steven Spielberg und George Lucas haben Hollywood zu ihrer persönlichen Traumfabrik gemacht: mythologisch unterfütterte Abenteuer-Epen beschwören alte Helden und neue Effekte. Mit Freddy Krueger hat hier keiner gerechnet. Das Monstrum mit dem verbrannten Gesicht und den Messerfingern kriecht aus dem Bauch der neuen Hollywood-Fantasien. Spielbergs Traum hat eben doch eine Schattenseite - in Wes Cravens "A Nightmare on Elm Street" sieht man sie so klar wie nie zuvor. Ein Dämon, antik und modern zugleich, zerfetzt die Hoffnungen des Mittelstandsamerikas, wird zum zornigen Gott einer materialistischen Welt.

Zwei Millionen Dollar kostet "A Nightmare on Elm Street", 25 Millionen spielt der Film ein. Der Erfolg macht das kleine Produktionsstudio New Line Cinema zur großen Nummer; Freddy Krueger wird zur Horrorikone.

Die aktuelle Neuverfilmung orientiert sich stark an Cravens Original, baut aber Kruegers Geschichte weiter aus: Hier ist er kein Kindermörder mehr, sondern ein Missbrauchstäter, der von einem aufgebrachten Eltern-Mob bei lebendigem Leib verbrannt wird. Fortan sucht er die Kinder der Elm Street in ihren Träumen heim; bringt er sie darin um, so wachen sie auch in der Wirklichkeit nicht mehr auf.

Zwischen Albtraum und Realität

Für den dritten Teil der Reihe verfasst Craven noch selbst das Drehbuch, danach zieht er sich aus Kruegers Albtraumland zurück. "A Nightmare On Elm Street" bleibt für New Line Cinema allerdings die Haupteinnahmequelle, für viele Jungregisseure werden die Filme zum surrealen Spielplatz. Selten hatten Hollywoods Kreativdesigner so viele Freiheiten wie beim Entwickeln von Freddys Höllenvisionen.

Regisseur Renny Harlin experimentiert im vierten Film der Reihe "The Dream Master" ausufernd mit Zeitschleifen und sabotiert Spannungsbögen, der Zuschauer hat im Unterschied zum ersten Film keinen Anhaltspunkt mehr dafür, was Wirklichkeit und was Albtraum ist. Krueger hat da schon jede Bedrohlichkeit ablegt, ist mehr Pop-Gott als Schreckgespenst. Für den Soundtrack zum Film nimmt Freddy-Darsteller Robert Englund sogar einen Rap mit der Formation The Fat Boys auf.

Keine Meta-Ebene mehr

1994 sieht Craven die Zeit gekommen, die von ihm entwickelte Reihe zu beenden. In "New Nightmare" jagt Freddy Krueger die Original-Besetzung und die Crew des ersten Films, Craven antizipiert mit dem postmodernen Plot schon seinen nächsten Welterfolg, die "Scream"-Trilogie.

Die aktuelle Neuverfilmung treibt dem Mythos die Meta-Ebenen wieder aus, setzt ganz auf die Ernsthaftigkeit des Originals: Statt dem mittlerweile selbst zur Kultfigur gewordenen Robert Englund schlüpft der noch weitgehend unbekannte Jackie Earle Healey in die Rolle des Kindermörders.

Cravens Originalfilm ist eine atmosphärisch überwältigende Höllenvision des Reagan-Amerikas, eine Erinnerung daran, dass unter den schönen Oberflächen des Spätkapitalismus archaische Kräfte hausen. In gewisser Weise nagelt aber auch die Neuverfilmung den Zeitgeist fest: Aus einem unabhängigen Überraschungserfolg wird 2010 ein Horror-Blockbuster, die bedrohlich dampfenden Industriekeller von damals werden in einem industriell geplanten Zielgruppenfilm nachgebaut.