Medizinstudium verkürzen und Aus für Turnus
Experte: "Anstoß für überfällige Spitalsreform"
Wissenschaftsministerin Beatrix Karl von der ÖVP will ein Aus für die Turnusärzte und das Medizinstudium deutlich verkürzen: Der Ärzteberuf würde damit attraktiver werden. Der Gesundheitsökonom Ernest Pichlbauer hält im Ö1-Interview diesen Vorstoß für längst überfällig. Die Abschaffung würde auch einen Impuls für die Spitalsreform bringen.
8. April 2017, 21:58
"Turnusärzte billige Systemerhalter"
Es sei gut, dass sich eine Wissenschaftsministerin an die Reform der Ärzteausbildung mache, sagt der Gesundheitsökonom Ernest Pichlbauer. Sein Argument: "Die Turnusausbildung bringt nichts. Turnusärzte sind Systemerhalter und billige Arbeitskräfte."
Miittagsjournal, 22.05.2010
Fertiger Facharzt erst mit 40
Die Abwanderung von Medizinabsolventen ins Ausland sei ein Faktum, sagt Pichlbauer. Es sei nachvollziehbar, warum die Absolventen ins Ausland drängen: Weil es keinen Turnus gibt, werden die Jungmediziner viel früher in die Facharztausbildung genommen. Und das sei das Um und Auf, so Pichlbauer: "Wenn man sieht, wie kompliziert die Medizin geworden ist, dann ist die Spezialisierung viel früher nötig. Sie dürfen nicht vergessen, der durchschnittliche Turnusarzt beginnt seinen Turnus im Alter von 29 Jahren! Dann ist er vier Jahre später fertig und beginnt seinen Facharzt. Dann ist der 40 Jahre alt, wenn er fertig ist!"
"Anstoß für Spitalsreform"
Also Schluss mit dem Turnus. Aber was würde das für das Gesundheitswesen bedeuten? Turnusärzte sind ein kostengünstiger Faktor, mit dem alle Spitalserhalter kalkulieren. Fällt dieser Faktor weg, könnte es eine kleine Revolution geben, meint Pichlbauer: "Wahrscheinlich ist das ein Anstoß für eine Spitalsreform, denn das Betreiben dieser viele, vielen Betten wird deutlich schwieriger. Ohne Turnusärzte funktioniert das System nicht. Das ist ähnlich dem Rettungsdienst: Ohne die Zwangsarbeit der Zivildiener würde das auch nicht funktionieren."
österreich: Kein Facharzt für Allgemeinmedizin
Und das ist auch der Grund dafür, dass die Ministerin mit Widerständen aus dem System gegen ihren Reformplan rechnen müsse, sagt der Gesundheitsökonom. Wie beharrend die Kräfte sind, zeigt das Beispiel des Facharztes für Allgemeinmedizin: Seit Österreich bei der EU sei, also seit Mitte der 1990-er Jahre sei klar, dass dieser Allgemeinmedizin-Facharzt kommen müsse. Aber passiert sei nichts. Ernest Pichlbauer: "Die Facharztausbildung zum Hausarzt ist längst überfällig. Seit 15 Jahren wird das diskutiert. Diese Facharztausbildung ist international längst üblich."
Aufwertung des Hausarztes
Positiver Nebeneffekt, den auch Wissenschafts- Ministerin Karl anstrebt: Eine Aufwertung des Hausarztberufes und eine Verbesserung der Gesundheitsversorgung am Land.