Razzien und Verhaftungen wegen Postkartenaktion

Weißrussland: Oppositionelle haben es schwer

Der deit 16 Jahren regierende weißrussische Präsident Alexander Lukaschenko lässt Razzien durchführen und Oppositionelle verhaften. Der Grund ist banal: Ein Schriftsteller, der bei den Präsidentenwahlen gegen ihn antreten möchte, hat eine Postkartenktion initiiert. Lukaschenko muss aber weder innen- noch ausßenpolitisch um seine Macht fürchten.

Dutzende Oppositionelle verhaftet

Am Anfang dieser Woche schlugen die weißrussischen Sicherheitskräfte zu. In den Städten Minsk, Grodno, Brest und Gomel drangen Polizisten in die Wohnungen und Büros von Regierungskritikern und beschlagnahmten dort Computer, Bücher und Unterlagen, durchwühlten Redaktionsräume und verhafteten schließlich ein Dutzend Oppositionelle.

Morgenjournal, 22.05.2010

Postkartenaktion als Auslöser Razzien

Ziel der Kampagne war eine Aktion, die anderswo vielleicht ein Lächeln, aber ganz sicher keine Polizeiaktion dieses Maßstabes ausgelöst hätte. Der weißrussische Schriftsteller Wladimir Nekliajew möchte als unabhängiger Kandidat bei den nächsten Präsidentenwahlen gegen den weißrussischen Langzeitpräsidenten Alexander Lukaschenko antreten. Um sich ins Gespräch zu bringen, hatte sich der ohnehin chancenlose Intellektuelle eine Postkartenaktion ausgedacht, bei der die Bevölkerung auf Postkarten nach Lust und Vermögen den Präsidenten über den Zustand im Land informieren sollte. Die Aktion trug den Namen „Sag die Wahrheit!“ – und war ein Erfolg, besser gesagt: Sie zeigte Wirkung – die Bevölkerung schrieb dem Präsidenten, was sie von ihm hält – und Nekliajew und seine Kombattanten wurden verhaftet.

Lukaschenko seit 16 Jahren im Amt

Die nächsten Präsidentschaftswahlen finden im Frühjahr 2011 statt und Alexander Lukaschenko hätte wirklich keinen Grund zur Nervosität. Seit 16 Jahren im Amt ist seine Herrschaft so gefestigt, dass nicht einmal eine Verstimmung mit Moskau seine Wiederwahl gefährden kann. Gerade als der Westen versuchte, den wegen Wahlfälschungen und diktatorischen Anwandlungen lange Zeit isolierten Präsidenten wieder näher an die europäische Politik heranzuführen, klagte Lukaschenko, der Westen verstünde seine Politik nicht, er, Lukaschenko, sei vom Westen schwer enttäuscht.

Machtdemonstration gegenüber Moskau

Gleichzeitig legte er sich ein wenig mit Russland an. Dem gestürzten kirgisischen Präsident Bakijew gewährte er demonstrativ Asyl. Moskau, so seine Botschaft an den Kreml, könne nicht die Präsidenten der früheren Sowjetrepubliken austauschen, wie es Russland gerade beliebe. Die Präsidenten von Usbekistan, Kasachstan und Tadschikistan werden Lukaschenko für diese Geste sicher sehr dankbar sein. Aber Lukaschenko hat damit auch im eigenen Interesse gehandelt: Er und nicht Moskau möchte den Zeitpunkt seines Abganges wählen. Soviel Spielraum muss sein, auch wenn er manchmal seinen eigenen Kurs fährt.

Russland hält Lukaschenko

In Moskau lässt man Alexander Grigorjewitsch gewähren. Lukaschenko ist auf seine Art populär und hat Weißrussland von allen orangen Verführungen freigehalten. Er hat Abchasien und Südossetien zwar nicht anerkannt, dafür aber das weißrussische Pipelinenetz zur Hälfte Russland überlassen. Nun spielt er sein Spiel mit dem geschassten kirgisischen Präsidenten und zeigt sich doch resistent gegenüber den Avancen der Europäischen Union. Für den Kreml ist er bei all diesen Risiken ein kalkulierbarer Partner – und seiner Wiederwahl 2011 wird damit auch nichts entgegenstehen, auch nicht die Postkartenaktion von einigen politischen Träumern.