Vorwürfe gegen Verfassungsschützer
Rechtsextremismus heruntergespielt?
Der Verfassungsschutz lege bei der Verfolgung rechtsextremer Straftaten wenig Engagement an Tag, sagen Kritiker. Tatsächlich könnte in einigen Fällen der Verdacht aufkommen, dass Ermittler des Verfassungsschutzes rechtsradikale und neonazistische Vorfälle herunterspielen.
8. April 2017, 21:58
Mittagsjournal, 28.05.2010
Auf dem rechten Auge blind?
Die Veröffentlichung des jüngsten Verfassungsschutzberichtes des Innenministeriums ließ aufhorchen. In der rechtsextremen Szene sei die Lage stabil, die Anzeigen in diesem Bereich seien mit 791 im Vorjahr sogar leicht sinkend, so die Analyse der Staatsschützer. Eine Zunahme wurde hingegen bei linksextremistischen Delikten geortet. Hier stiegen die Anzeigen im Vorjahr von 64 auf 90. Eine Einschätzung die gewisses Erstaunen auslöst. Kritiker wie der Grüne Karl Öllinger sprachen postwendend davon, dass der Verfassungsschutz auf dem rechten Auge wohl schlecht sieht. Der Wiener Anwalt Georg Zanger brachte in der vergangenen Woche eine Anzeige wegen organisierter Kriminalität gegen ein rechtes Netzwerk in Österreich ein, weil er der Meinung ist, dass die Ermittlungsbehörden in diesem Bereich schlafen. Was ist an diesen Vorwürfen dran?
Erfolg für die burgenländischen Ermittler
Die gute Nachricht zuerst: Erst konnten die burgenländischen Verfassungsschützer einen größeren Schlag gegen die rechtsradikale Szene vermelden. 21 Personen wurden angezeigt. Die Verdächtigen waren in den letzten Monaten durch Hakenkreuzschmierereien aufgefallen. Anfang des Jahres wurden die Burgenländischen Aktionen auf der rechtsradikalen Internet-Seite "Alpen Donau Info" gewürdigt, als " dieser freien Jugend innewohnende Kreativität des maximalen Widerspruchs und als Zeichen des totalen Widerstandes". Szenebeobachter vermuten, dass der Schlag gegen diese Gruppierung in Zusammenhang mit der Festnahme eines ehemaligen Mitgliedes der "Nationalen Volkspartei" im vergangenen Herbst stehen könnte, dem ebenfalls Kontakte zur "Alpen Donau Info" nachgesagt werden. Ein Erfolg für die burgenländischen Ermittler.
Vorfälle heruntergespielt?
In anderen Fällen könnte der Verdacht aufkommen, dass Ermittler des Verfassungsschutzes rechtsradikale und neonazistische Vorfälle heruntergespielt werden. Ein exemplarisches Beispiel spielte sich Anfang des Jahres in Oberösterreich ab. Damals waren Fotos aufgetaucht, auf denen Parteimitglieder der rechtsextremen Welser Bürgerliste "Die Bunten" in Skinhead-Bekleidung und mit T-Shirt Aufschriften wie "Bock auf Nazis" posierten und zwar im KZ Mauthausen. Michael Tischlinger, Leiter des Landesamtes für Verfassungsschutz (LVT), erklärte in einem Interview mit den Oberösterreichischen Nachrichten, er sehe nichts strafbares an der Aktion: Zitat: "Das ist noch kein verbotener Spruch. Gegen einschlägige Gesetze verstößt das nicht".
"Rechtlicher Irrtum", "Tiefschlag"
Beim mittlerweile pensionierten Senatspräsidenten des Linzer Oberlandesgerichts, Wolfgang Aistleitner, stößt dieser Persilschein des LVT-Chefs auf blankes Entsetzen: Das könne rechtlich einen groben Irrtum bedeuten, man müsse die Umstände bedenken. "Immerhin wurde ja dieses T-Shirt an der Gedenkstätte Mauthausen getragen. Auch in Hinsicht auf die Prävention und als Signal an die Jugend, hält Aistleitner derartige Aussagen von Staatsschützern für höchst bedenklich: "So etwas für straffrei zu erklären, das halte ich für einen Tiefschlag."
Schleppende Ermittlungen
Für Aistleitner ist es nicht das erste Mal, dass er sich über die Vorgangsweise der Oberösterreichischen Ermittler wunderte. Im Jahr 2007, bei den Ermittlungen des Verfassungsschutzes rund um die Aktivitäten des "Bundes freier Jugend" (BFJ), einer damals aktiven und vom Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes als rechtsextrem eingestuften Jugendgruppe in Oberösterreich, verliefen die ersten Ermittlungen sehr schleppend, erinnert sich Aistleitner. "Da wurde sehr lange recherchiert, man hatte den Eindruck, dass der nötige Nachdruck bei den Erhebungen nicht immer vorhanden war."
"Nicht bestrebt, Umtriebe zu unterbinden"
Dieser Eindruck wird auch von Verfassungsrechtsexperten Heinz Mayer geteilt, der im Auftrag des Netzwerkes gegen Rechtsextremismus ein Gutachten über die Schriften des BFJ erstellt hatte. "Ich kann nur sagen, in meiner Erinnerungen waren die Ermittlungen sehr unengagiert. Man war nach meinem Eindruck nicht sehr bestrebt, solche Umtriebe zu unterbinden."
Naheverhältnis zu Freiheitlichen?
In diesem Licht scheint es recht merkwürdig, dass ausgerechnet die Freiheitlichen, die leitende Ermittlerin des Bundesamtes für Verfassungsschutz in der Causa BFJ, als Expertin für Linksextremismus in den Landessicherheitsrat in Oberösterreich nominiert haben. An sich nichts unehrenhaftes. Doch die Optik ist etwas sonderbar, weil dem BFJ ein Naheverhältnis zur Jugendorganisation der Freiheitlichen in Oberösterreich nachgesagt wird.
Ku-Klux-Klan-Führer "nicht beobachtet"
Aber auch außerhalb von Oberösterreich sehen die Verfassungsschützer nicht immer Handlungsbedarf, wenn es um Rechtsradikale geht. Zum Beispiel als im Vorjahr bekannt wurde, dass sich der Rechtsextremist und ehemalige Ku-Klux-Klan-Führer David Duke seit Jahren regelmäßig und monatelang unbehelligt in Salzburg aufhielt und dort sogar über einen Hauptwohnsitz verfügt. Während Duke, der in der internationalen rechtsextremen Szene exzellent vernetzt ist, in Prag verhaftet und ausgewiesen wurde, sah der österreichische Verfassungsschutz die Angelegenheit sehr gelassen. Duke werde nicht beobachtet, erklärte der Leiter des Verfassungsschutzes im Innenministerium, Peter Griedling, im Interview in der Fernsehsendung Report. Weil man keinen Grund habe anzunehmen, dass Duke hier eine Straftat begehen würde, so der Verfassungsschutzchef.