Politik machen statt messen

Umfragen als PR-Instrument

Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) stand in Umfragen lange im Schatten von Vizekanzler Josef Pröll (ÖVP), doch jetzt hat der SPÖ-Vorsitzende den ÖVP-Obmann knapp aber doch überholt. Mehrere Zeitungen haben entsprechende Umfrageergebnisse veröffentlicht. Das ist für die SPÖ angenehm, aber zugleich auch ein Lehrbeispiel dafür, wie mit Umfragen Politik nicht nur analysiert, sondern auch gemacht wird.

28.05.2010

Riesige Schwankungsbreite

Den Anfang machte Kanzler-Freund Wolfgang Fellner mit seiner Tageszeitung "Österreich". Eine Woche nach der Bundespräsidentenwahl - die der Sozialdemokrat Heinz Fischer mit einem Rekordergebnis gewonnen hat - und vier Tage vor dem 50. Geburtstag des Kanzlers titelte Fellner Anfang Mai euphorisch: "Faymann und SPÖ im Hoch". Belegt wurde das durch eine Gallup-Umfrage mit einem Sample von 800 Befragten und der in Österreich üblichen hohen Schwankungsbreite von plus minus vier Prozent - das bedeutet als bei einem Umfragewert von 20 Prozent einen "wahren Bereich" von 16 bis 24 Prozent. "Deshalb bedeutet das an sich noch gar nichts, wenn man feststellt, dass sich etwas um zwei Prozent verändert hat", sagt Silvano Moeckli vom Institut für Politikwissenschaft der Universität St. Gallen.

Kettenreaktion und PR-Instrument

Dennoch folgten vor wenigen Tagen zwei weitere Institute, um mit der noch kleineren Stichprobe von nur 500 Befragten zum ähnlichen Ergebnis zu kommen: Faymann liege schon vor oder zumindest gleichauf mit Pröll, verkünden auch Market und die Karmasin Motivforschung. Der Schweizer Politologe Moeckli kennt dieses Phänomen: "Mit Umfragen können Themen gesetzt und Stimmungen gemacht werden. Wenn andere Medien aufspringen, kann das eine ganze Kettenreaktion auslösen. Insofern sind Umfragen ein hervorragendes PR-Instrument. Und wenn das Ergebnis nicht übereinstimmt mit den Erwartungen, dann wird es einfach nicht veröffentlicht."

"Politik machen statt messen"

Silvano Moeckli hält große Stücke auf die Meinungsforschung als Instrument zur Messung von Einstellungen der Bevölkerung, aber Umfragen würden immer öfter gebraucht, "nicht um Politik zu messen, sondern um Politik zu machen". Deshalb müsse man immer sehr kritisch fragen, wird der Auftraggeber der Umfrage war, wie sie finanziert wurde, wie groß die Stichprobe war und ob es Vergleichsmöglichkeiten für die Ergebnisse gibt.

Auf die Frageformulierung kommt es an

Und da es aber um Verkaufserfolge und Unterhaltungswert gehe, mangle es sehr oft an dieser Sorgfalt. Bisweilen würden Umfragen auch regelrecht für Manipulationen missbraucht, so der Politikwissenschaftler aus St.Gallen: "Im Englischen spricht man von 'Push-Polls', also man drückt die Befragten in eine bestimmte Richtung, meist mit einer entsprechenden Frageformulierung. Man kann fragen: Sind Sie dafür, dass man Rauchen verbieten soll? Oder: Sind Sie dafür, dass man Rauchen nicht erlauben soll? Und so bekommt man andere Ergebnisse."

Effekt der Rückkopplung

Und Umfragen haben noch eine Eigenschaft: Sie wirken verstärkend, weil die Menschen dazu tendieren, zur Mehrheit und zu den Siegern zu gehören. Man darf also Wetten abschließen, dass sich ein möglicher SPÖ-Erfolg im Burgenland in noch besseren Umfragen für Werner Faymann niederschlagen würde. Und umgekehrt.