Gilt ab sofort nach Honorarstreit
Selbstständige müssen beim Arzt zahlen
Nach 48 Jahren gibt es erstmals wieder einen vertragslosen Zustand zwischen Sozialversicherung und Ärztekammer. Betroffen sind mehr als 400.000 Selbstständige und Pensionisten, die bei der Sozialversicherungsanstalt der Gewerblichen Wirtschaft (SVA) versichert sind.
8. April 2017, 21:58
Morgenjournal, 01.06.2010
Bar zahlen beim Arzt
Der vertraglose Zustand betrifft alle niedergelassenen Ärzte, also sowohl praktische als auch Fachärzte. Ausgenommen sind Zahnärzte, Physio-, Ergotherapeuten und Logopäden, Institute, Bandagisten und Apotheken. Auch Mutter-Kind-Pass-Untersuchungen sind ausgenommen.
Die mehr als 400.000 betroffenen SVA-Versicherten müssen ihre Arztbesuche ab heute im schlechtesten Fall also bar bezahlen. Letztlich hängt das vom einzelnen Arzt oder der Ärztin ab, die SVA hat den Ärzten nämlich angeboten, auch im vertragslosen Zustand wie bisher über E-Card abzurechnen. Die Kasse zahlt den Ärzten dafür vier Prozent mehr Honorar. Allerdings geht die Ärztekammer davon aus, das praktisch kein Arzt auf dieses Angebot eingehen wird.
Nur ein Teil später refundiert
Viele Patienten werden das Geld für Arztbesuche künftig also vorstrecken müssen, sie bekommen es abzüglich Selbstbehalt frühestens einen Monat später zurück. Und der Arztbesuch könnte auch noch teurer werden als bisher: die Ärztekammer empfiehlt ihren Mitgliedern 20 Prozent höhere Tarife von den Patienten zu verlangen, weil es seit mehr als vier Jahren keine Erhöhung mehr gegeben habe - gleichzeitig vergütet die SVA aber nur 80 Prozent der bisher gültigen Tarife. Rezeptgebührenbefreite Personen bekommen 100 Prozent des alten SVA-Tarifs zurück.
Ambulanzen und Ambulatorien ausgenommen
Ohne selbst bezahlen zu müssen, können sich SVA-Patienten wie bisher in den Spitalsambulanzen untersuchen lassen, außerdem hat die SVA mit den Gebietskrankenkassen und allen anderen Kassen eine Vereinbarung - auch deren Ambulatorien stehen den SVA-Versicherten ab jetzt zur Verfügung und es funktioniert wie gewohnt mit der E-Card. Für Versicherte, die nicht in Ambulanzen ausweichen können und bei ihrem Arzt kostenpflichtig werden, will die SVA Vorschüsse auszahlen - sofern es sich um Versicherte mit kleinem Einkommen oder kleiner Pension handelt. Immerhin sind mehr als die Hälfte der Versicherten bei der SVA nur zur Mindestbeitragsgrundlage versichert, das sind nicht einmal 1000 Euro im Monat.
Proteste angekündigt
Wie lange wird dieser vertragslose Zustand dauern? Diese Frage kann und will derzeit keine Seite beantworten. Auf einige Monate heißt es, werden sich die SVA-Versicherten wohl einstellen müssen. Die bisher letzte vertragslose Phase im Jahr 1962 - mit der Wiener Gebietskrankenkasse - hat ein halbes Jahr gedauert. Die Betroffenen wollen übrigens nicht so lange warten: für heute sind bereits erste Protest-Aktionen gegen den vertragslosen Zustand angekündigt.