Grund: Streit um Obsorge
Zahl der Kindesentführungen steigt
In Österreich steigt die Zahl der Kindesentführungen. Meist geschieht dies im Zuge von Scheidungen und Streitigkeiten um die Obsorge. Im Vorjahr wurden laut Justizministerium 46 Kinder nach Österreich oder aus Österreich ins Ausland entführt. Fachleute fordern einen Fonds für Eltern, die sich durch die Suche nach ihrem Kind verschulden.
8. April 2017, 21:58
Morgenjournal, 02.06.2010
Kinder vor Scheidung ins Ausland
Wenn länderübergreifende Ehen geschieden werden, ergreift manchmal ein Elternteil mit dem Kind die Flucht. Zurück bleibt der andere, der um die Rückkehr des Kindes kämpft, schildert die Wiener Kinder- und Jugendanwältin Monika Pinterits, die seit einigen Jahren mit immer mehr derartigen Fällen zu tun hat: „Die Mutter geht zum Gericht, und möchte eine Kindesentführung melden. Da aber Mutter und Vater noch verheiratet sind, ist es für das Gericht keine Entführung.“ Solange nicht geklärt sei, wer die Obsorge für das Kind hat, werde auch keine Untersuchungen eingeleitet und nicht nach dem Kind gesucht, erklärt Pinterits.
Verfahren dauern Jahre
Dass ein Kind möglichst schnell wieder zurückkehrt, dafür soll das Haager Übereinkommen, dem 70 Länder beigetreten sind, sorgen. Es sieht vor, dass der Staat, in den ein Kind gebracht wird, innerhalb von sechs Wochen anordnet, dass es zurückgebracht wird. In der Praxis dauern diese Verfahren allerdings Monate und Jahre, kritisiert die Geschäftsführerin des Vereins Wiener Frauenhäuser Andrea Brem. Allein in Österreich sind Justiz-, Außen- und Innenministerium, Kinder- und Frauenschutzeinrichtungen involviert.
Beratungsstelle für Eltern
Andrea Brem fordert daher eine zentrale Anlaufstelle für Eltern. „Es wäre gut, diese Stelle im Sozialbereich anzusiedeln, unterstützt von einer fundierten juristischen Beratung. Wichtig ist, dass dort Menschen sitzen, die mit dem Thema vertraut sind und sich rechtlich sehr gut auskennen. Denn dies ist ein unheimlich komplexes rechtliches Thema.“
Kinder entfremden sich
Wenn klar ist, dass ein Kind entführt wurde, muss es schnell gehen, sagt Brem. Besonders schwierig wird es, wenn ein Kind in einen Staat gebracht wird, der nicht dem Haager Übereinkommen beigetreten ist. „Dann verschleppen sich die Verfahren. Es gibt ständig Anträge, Entscheidungen, Berufungen und Rekursmöglichkeiten. Das zieht das Verfahren unheimlich in die Länge.“ Inzwischen werde es für das Kind immer schwieriger, es entfremde sich durch die Trennung zunehmend vom anderen Elternteil, schildert Brem.
Fonds für Reisen und Anwaltskosten
Mütter und Väter wissen manchmal jahrelang nicht, wo sich das Kind befindet und ob es noch lebt. Dazu kommt: Anwälte und Reisen in das andere Land kosten Geld, stellt Monika Pinterits fest und fordert dafür einen Fonds: „Wir hoffen, dass wir einen Fonds bekommen, aus dem wir die Kosten für die betroffenen Mütter oder Väter speisen können.“
Das Haager Übereinkommen halten die beiden Expertinnen Monika Pinterits und Andrea Brem für zahnlos. Denn es gibt keine Konsequenzen, wenn sich ein Mitgliedsland nicht daran hält.